Licht und Schatten, Teil 2: Unsere Eindrücke von der "Wir haben es satt" Demonstration am 16. Januar 2016 in Berlin

Teil 1 bezieht sich auf die Demonstration vom 17.1.2015 und gibt es hier

Die Aktion 3.Welt Saar gehört zu den Veranstaltern der Demonstration, die dieses Jahr 20.000 TeilnehmerInnen anzog und arbeitet im Rahmen ihres Vernetzungsprojektes "ERNA goes fair - Für eine faire Landwirtschaft weltweit" aktiv im bundesweiten Bündnis "Meine Landwirtschaft-unsere Wahl" mit.

Und gleich an dieser Stelle vorab eine Nachricht und notwendige Klarstellung an die "Wachse oder weiche" Fraktion der Agrarlobbyisten in Verbänden, Industrie und Ministerien: Euer Interesse an der Denunziation der "Wir haben es satt" - Demo ist einfach nur ekelhaft. Eurer Interesse ist es nicht, alle (!) Menschen satt zu machen, sondern, dass alles so bleibt wie es ist. Ihr macht damit die Erde kaputt, die Bauern und produziert Hunger. Schert Euch vom Acker!

Radiointerview mit Roland Röder von der Aktion 3.Welt Saar zur "Wir haben es satt" Demo: Radio Dreyeckland, Sendereihe "Focus Europa", Freitag, 15. Januar 2016


Was positiv war, haben wir im Wesentlichen schon zu der letztjährigen Demonstration geschrieben. Wir empfehlen dies hier nachzulesen. Zur aktuellen Demo von 2016 deshalb nur ein paar Punkte:

POSITIV fanden wir

  • 20.000 Menschen, die bei kalten Temperaturen FÜR eine nachhaltige und bäuerliche Landwirtschaft auf die Straße gehen, für Gentechnikfreiheit, für Saatgutvielfalt
  • Die Vielfalt, von der diese Demonstration lebt, ohne dabei ins Beliebige abzudriften
  • Das Plädoyer für eine Landwirtschaft MIT Bauern und MIT Tieren, die im Gegensatz zur Massentierhaltung artgerecht gehalten werden, und das Plädoyer für eine Landwirtschaft ohne Monokulturen und ohne Landraub in der 3.Welt.
  • Das Bekenntnis dafür, dass man sich mit Fleisch, ohne Fleisch und auch gerne vegan ernähren kann - dass aber alle drei Varianten mit Respekt zu behandeln sind
  • Dass die berechtigte Kritik am Freihandelsabkommen TTIP dieses Jahr weitestgehend ohne Antiamerikanismus auskam. Letztes Jahr war von etlichen Teilnehmern ein recht offener Antiamerikanismus gezeigt worden. Ein Banner unter vielen (!) war 2015 noch "Merkel, Du USA Nutte"
  • Dass es ein Bemühen um eine internationale Ausrichtung gab: Zum Beispiel Redebeiträge von Ibrahim Diallo aus Burkina Faso und Biraj Patnaik aus Indien sowie von syrischen Flüchtlingen zur Politik des Aushungerns in Syrien.


Für sehr positiv und konstruktiv halten wir die im Vorfeld mit den anderen Veranstaltern getroffene Einigung, uns gemeinsam öffentlich gegen die Beleidigungen von Bauern durch Tierrechtler auszusprechen. Durchsagen dazu kamen während der Demonstration und Kundgebung mehrfach von der Bühne. Dazu gehörte auch eine Absage an den Antiamerikanismus, der bei einigen Teilnehmern in den letzten Jahren im Kontext der berechtigten Kritik am TTIP Abkommen zu hören war. Wir fanden es positiv, wie die anderen Veranstalter auf die von der Aktion 3.Welt Saar in den letzten Jahren mehrfach geäußerte und mit Fotos belegte Kritik an diesen Punkten ein gingen, Selbstverständlich werden bei einer solchen Massenveranstaltung auch Eigenbrödler angezogen, aber ebenso wichtig ist es, dies von Veranstalterseite nicht ausufern zu lassen und sich eindeutig zu verhalten. Dies ist in Berlin geschehen. Unsere Intervention hat sich gelohnt.


NEGATIV fanden wir

1. Das Auftreten der so genannten Tierschutzorganisation "Peta".
Mit ihren Anpöbeleien gegen Bauern konterkarierte die Tierschutzorganisation "Peta" das Anliegen der Demonstration "Wir haben es satt". "Peta" trug unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift "Tiere sind keine Lebensmittel - Wir gedenken der Opfer". Diese Gleichsetzung von Tieren mit Menschen kam auch auf anderen Bannern der Organisation zum Ausdruck. Mit der Aussage "Wir gedenken der Opfer" -  suggeriert sie eine subtile Gleichsetzung von Tieren mit NS-Opfern und aktuellen Opfern von Gewalterbrechen. In der "Peta"-Logik wären demnach Bauern und Bäuerinnen, die Tiere halten, Mörder.
Charakteristisch für diese Sorte Tierschützer / Tierrechtler à la "Peta": Absolut keine  Anteilnahme für Bauern, denen in der aktuellen Situation die Höfe sprichwörtlich "unterm Arsch" wegbrechen. Anteilnahme für Tiere ja, für Menschen nein.
Zur Klarstellung: "Peta" gehört nicht zum Veranstalterkreis der Demo.  

"Peta" verwendet für ihr "Engagement für Tiere" seit langem Anspielungen auf den Nationalsozialismus und den Holocaust. Im Netz finden sich massenhaft Artikel und Debatten dazu.
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www.taz.de/!5079945/


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www.peta.de/petas-holocaust-auf-dem-teller-kampagne-ist-antisemitisch

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www.vice.com/de/read/du-kannst-auch-veganer-sein-ohne-den-holocaust-zu-verharmlosen-372

 



Zur Ehrenrettung sei gesagt: Das dogmatische "Peta"-Verständnis von Landwirtschaft und Tierhaltung trifft nicht auf alle Tierschützer und Tierrechtler zu. "Peta" unterscheidet nicht zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft und lehnt auch die artgerechte Haltung sowie jegliche Nutzung tierischer Produkte wie Milch, Eier, Käse, Fleisch und Leder ab. Und Honig auch noch.


 

Und hier noch weitere Tierrechtler, die Bauern quasi als Mörder deklarieren:

 

2. Den Politikstil von "campact"
Wahrscheinlich werden wir uns an diesen Stil und diese Art von Online-Präsenz-Spenden-Politik-Online-Präsenz-Spenden-Politik (und jetzt wieder von vorne) nie gewöhnen:

  • 2 Stunden vor Beginn der Auftaktkundgebung Vorfahren mit einem Lieferwagen
  • Ausladen von mehreren tausend (Oder waren es nur 1.500?) dünnen Bambusstangen und rosa Fahnen im A1 Format
  • Ca. 2 Dutzend HelferInnen sind letztlich stundenlang damit beschäftigt, Fahnen aufzuziehen
  • Dann werden die "campact"-Fahnen an DemoteilnehmerInnen durch aktive Ansprache verteilt. Zurückzugeben braucht man die Fahnen nicht

Im Gegensatz zu letztem Jahr blieben dieses Mal hunderte von Fahnen ungenutzt und konnten nicht an den Mann und die Frau gebracht werden.

Egal wo und wie man fotografiert und filmt: Die rosa "campact"-Fahnen sind immer im Bild, steigern die Aufmerksamkeit für EINE Organisation, was wiederrum die Grundlage für eine erfolgreiche Spendenakquise ist. Die offiziell geforderte Vielfalt in der Demonstration wird so umgedeutet als Kulisse für das eigene Organisationsinteresse.

Nein, liebe MitstreiterInnen von "campact", die Vereinnahmung einer Demonstration für die eigenen Organisationsinteressen ist keine positive Werbung für Eure Ziele.

Und bevor wir jetzt weiter überlegen, welche anderen Organisationen - wie von Geisterhand und dem 'Zufall' gesteuert - ebenfalls mit hundert(en) Fahnen oder Bannern aufgelaufen sind, lassen wir es mal. "campact" hat eindeutig den Vogel abgeschossen. Einige andere haben auch versucht - auf materiell etwas niedrigerem Niveau - diese Art von Politik zu machen, was sie auch nicht besser macht.

 

3. Monotonie in der RednerInnenliste
Manche Personen und Organisationen scheinen jedes Jahr aufs Neue bei der Demo einen (oder mehrere) Redebeiträge gepachtet zu haben. Vielleicht nennt man dieses System "ökologische Erbpacht". Sorry, das ist nicht das, was wir unter Agrarwende bzw. unter mehr Öko in der Landwirtschaft verstehen.

Damit ist unsererseits nichts gegen die Inhalte der Reden gesagt. Die fanden wir gut. Aber Vielfalt sollte nicht nur verbal von der Bühne aus von den TeilnehmerInnen und ihren Slogans und Bannern eingefordert werden, sondern auch auf der Bühne praktiziert werden. Grob gesagt: Da ist noch Luft nach oben.

Aus der Forderung nach einem "Recht auf Nahrung" darf nicht die Forderung mancher Organisationen nach einem "Recht auf Rede" werden, um jedes Jahr aufs Neue am Rednerpult zu stehen; zum Teil unter anderem Namen.

Pressemitteilung

19.Januar 2016 / Nr. 2

Demonstration "Wir haben es satt" war mit 20.000 Teilnehmern ein Bekenntnis für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft

Nur "PETA" fiel negativ mit subtilen NS-Vergleichen auf und durch die Gleichsetzung von Mensch und Tier

"Mit ihren Anpöbeleien gegen Bauern konterkarierte die Tierschutzorganisation 'Peta' das Anliegen der Demonstration 'Wir haben es satt' am letzten Samstag in Berlin", so Christian Hirsch vom Vorstand der Aktion 3.Welt Saar. 'Peta' trug unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift "Tiere sind keine Lebensmittel - Wir gedenken der Opfer". Diese Gleichsetzung von Tieren mit Menschen kam auch auf anderen Bannern der Organisation zum Ausdruck. "Für mich suggeriert 'Peta' mit diesem Spruch und insbesondere dem Spruch 'Wir gedenken der Opfer' eine subtile Gleichsetzung von Tieren mit NS-Opfern und aktuellen Opfern von Gewaltverbrechen. In der 'Peta' Logik wären demnach Bauern und Bäuerinnen, die Tiere halten, Mörder", so Christian Hirsch. "Auch eine  Anteilnahme für Bauern, denen in der aktuellen Situation ihre Höfe sprichwörtlich 'unterm Arsch' wegbrechen, ist bei 'Peta' gleich null", so Hirsch.

Die Aktion 3.Welt Saar war mit 50 anderen Organisationen aus dem Umwelt- und Agrarbereich Mitveranstalter der Demonstration für eine nachhaltige Landwirtschaft, die zum 6. Male zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin stattfand und 20.000 Menschen mobilisierte. Veranstalterin ist das Bündnis 'Meine Landwirtschaft - unsere Wahl', in dem die Aktion 3.Welt Saar aktiv mitarbeitet. Die Demonstration war ein machtvolles und von Vielfalt geprägtes Eintreten für eine bäuerliche Landwirtschaft, gegen Gentechnik und gegen das aktuelle Höfesterben durch eine verfehlte deutsche wie europäische Agrarpolitik.

"Für sehr positiv und konstruktiv halten wir die im Vorfeld mit den anderen Veranstaltern getroffene Einigung, sich öffentlich gegen die Beleidigungen von Bauern durch Tierrechtler auszusprechen", so Hirsch. Diese Durchsagen kamen während der Demonstration und Kundgebung mehrfach von der Bühne. Dazu gehörte auch eine Absage an den Antiamerikanismus, der bei einigen Teilnehmern in den letzten Jahren im Kontext der berechtigten Kritik am TTIP Abkommen zu hören war. "Wir fanden es positiv, wie die anderen Veranstalter auf die von uns geäußerte und mit Fotos belegte Kritik an diesen Punkten einging." Es ist nicht zu verhindern, dass eine solche Massenveranstaltung auch Eigenbrödler anzieht, aber ebenso wichtig ist es, dies von Veranstalterseite nicht ausufern zu lassen.

Fotos zu der unseligen "Peta" Aktion und weitere Fotos von der Demonstration Opens internal link in current windowhier:

Hintergrundinformationen:

Die Aktion 3.Welt Saar vernetzt Bauern, Naturschützer und - bundesweit einzigartig - Gewerkschafter in ihrem Projekt "ERNA goes fair - Für eine faire Landwirtschaft weltweit". Im Rahmen dieses Projektes entwickelt sie mit Milchbauern Alternativen für eine andere Agrarpolitik.

ERNA goes fair: Opens external link in new window

erna.a3wsaar.de


Demobündnis: Opens external link in new windowwww.wir-haben-es-satt.de
Kritik "Licht und Schatten" von 2015: Opens internal link in current windowhier