Hand in Hand im Ressentiment vereint

Eine Arbeitsgruppe im Agrarprojekt "ERNA goes fair" der Aktion 3.Welt Saar hat eine Bewertung und Einordnung der "Bauern"Organisation "Hand in Hand für unser Land e.V." vorgenommen. Für die Jungle World hat unser Geschäftsführer Roland Röder dazu einen Artikel verfasst.

Die Bauernproteste, die vor einem Jahr begannen, sind längst abgeebbt. Nun will eine damals gegründete Gruppe erneut in Berlin demonstrie­­­­ren. Auf dem Programm: Ressentiments gegen Asylbewerber, Medien und Sozialstaat.

Deutschland taumelt dem Abgrund entgegen – den Eindruck erhält man, wenn man sich die Videos und Beiträge des Vereins »Hand in Hand für unser Land e. V.« anschaut. Die »Leistungsträger« würden geschröpft und dürften nicht mehr offen ihre Meinung sagen, lautet der Tenor. Diesen Samstag, am 23. November, will die Gruppe in Berlin demonstrieren. Angekündigt sind 10.000 Teilnehmer und 1.000 Traktoren, Lastwagen und andere Fahrzeuge.

An der tatsächlichen Teilnehmerzahl wird sich wohl erweisen, ob aus den sogenannten Bauernprotesten eine langlebige rechte Protestbewegung geworden ist. Vor rund einem Jahr begannen in Deutschland diese Proteste, bis in den Februar fanden sie bundesweit statt: auf öffentlichen Plätzen, in großen und kleinen Städten und auf dem Allerheiligsten der Deutschen, den Autobahnen. Der Verein »Hand in Hand für unser Land« gründete sich im Januar nach einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese, an der etwa 10.000 Menschen teilgenommen hatten.

Die damaligen Proteste richteten sich vordergründig gegen zwei geplante Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die Bauern betrafen: Die Subventionen für Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge sollten gestrichen werden. Das zweite Vorhaben ließ die Bundesregierung wegen der Proteste schnell ­fallen, und die Subventionen für Agrardiesel sollen nur schrittweise bis 2026 abgeschafft werden. Ein Teilerfolg für die protestierenden Bauern also.

Doch hinter den Protesten stand viel tiefersitzender Unmut über die Regierung, wenn nicht gar über das gesamte politische System. Besonders die Grünen galten als Hauptfeind. Wenn er deren Bundesagrarminister Cem Özdemir sehe, sagte ein Bauernvertreter damals, fühle er sich wie auf dem »türkischen Basar«. Bei einem Auftritt der damaligen Bundesvorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang, wurde ein Galgen aufgestellt – solche Galgen, an denen meistens eine stilisierte Ampel hing, waren immer wieder auf den Protesten zu sehen. Politisch fischte man mal mehr, mal weniger offen im rechtsextremen Bereich, fühlte sich von deutscher und europäischer Bürokratie oder ausländischen Investoren bedroht und kämpfte für ein Deutschland ohne »Lügenpresse« und ohne korrupte Politiker.

Gemeinschaft und Automobil

Ziel des Vereins »Hand in Hand für unser Land« sei es, über Landwirte hinaus auch andere gesellschaftliche Gruppen zu organisieren: beispielsweise »Mittelständler, Rentner, Handwerker, Mütter«, wie es der Erste Vorsitzende und Demonstrationsorganisator, der Bauer Franz Huber, formulierte.

Zwei Dinge prägen den Web- und Social-Media-Auftritt des bayerischen Vereins: Gemeinschaft und Automobil. Zunächst suggeriert der Vereinsname »Hand in Hand« gegenseitige Hilfe und Solidarität. Das Logo der Gruppe ist ein Kreis mit ineinander gelegten Händen. Eine ähnliche Symbolik, die wohl eine Gemeinschaft ohne Hierarchien darstellen soll, wird auch im alternativ-linksli­beralen Milieu gern verwendet, bei Runden Tischen, bei Multikulti-Festen oder zuletzt bei den Anti-AfD-Protesten Anfang des Jahres. Zweitens werden allenthalben Autos und LKW in den Mittelpunkt gestellt: Man inszeniert sich als Verteidiger des vermeintlich bedrohten Auto-Lifestyles gegen die »Verbrennerdiskriminierung«.

Ansonsten bietet das Programm eine krude Mischung. Zu etlichen Bereichen hat der Verein seine Position formuliert, von »Rente« bis »Asyl«: Man sieht sich im Kampf gegen die Bedrohung der deutschen Souveränität und gegen die etablierten Medien, fordert ein »Ende der Diskriminierung Andersdenkender«, wünscht sich mehr Abschiebungen und möchte das »tradierte Familienbild«, das »in der Vergangenheit stets den Zusammenhalt in der Gesellschaft gestützt hat«, gegen »Frühsexualisierung und Genderfluch (sic)« verteidigen. Mehr bezahlbaren Wohnraum fordert man ebenso wie bessere medizinische Betreuung – »mit Vorrang für die eigene Bevölkerung: Der »fleißige Beitragszahler« erhalte heutzutage eine schlechtere Gesundheitsversorgung als Asylbewerber, heißt es. »Wir als Mittelschicht« wollten dafür kämpfen, dass es sich wieder lohnt, »fleißig, tatkräftig und rechtschaffen« zu sein.

Unternehmensfreundliche Grundhaltung

Aus seiner unternehmensfreundlichen Grundhaltung macht der Verein dabei keinen Hehl, er ist gegen Arbeitszeitverkürzung, für die Einschränkung des Arbeitsschutzes und beklagt »mangelnde Arbeitsmoral« – diese sei »beeinflusst durch die Medien« mit ihrem Gerede von der Work-Life-Balance sowie vom »Bürgergeld als Jobkiller«. Im Repertoire sind auch zwei Dauerbrenner von wirtschaftsliberalen Konservativen: das Beschimpfen von »Klima­klebern« und die Forderung, den Atomausstieg rückgängig zu machen.

Politisch orientieren sich »Hand in Hand« und ähnlichen Gruppen mit sozialdarwinistischen und neoliberalen Positionen teils am rechten Flügel der FDP und teils an der AfD. Ihr Protest zielt nicht auf eine soziale Umverteilung von oben nach unten, sondern auf mehr Autorität und attackiert demokratische Politik mit dem Verweis auf einen angeblichen Volkswillen, den man natürlich selbst zu vertreten beansprucht.

Regressive Reaktion auf Krisenprozesse

Es handelt sich um eine regressive Reaktion auf die derzeitigen Krisenprozesse der kapitalistischen Ökonomie. Die tatsächlichen Ursachen dieser Prozesse bleiben unverstanden. Stattdessen gibt man sich nationalen Untergangsphantasien hin und attackiert sozial Schwächere sowie neuerdings, weil man sich dazu in der Lage sieht, die Repräsentanten und medialen Unterstützer staatlicher Ordnungsmacht. Die Anleihen, die dabei bei Trump, Bol­sonaro, Orbán und Co. genommen werden, sind offensichtlich. Der unausgesprochene Leitspruch heißt »Make Germany great again« – während gleichzeitig betont wird, man sei parteipolitisch neutral, ja sogar »unpolitisch«. Dabei besteht kein Zweifel: Als »unpolitisch« hat sich seit Kaisers Zeiten immer das antidemokratische Ressentiment verstanden – und das hat klare politische Ziele.

Leider haben sowohl die politische Linke als auch die durchaus vorhandenen vernünftigeren Bauernorganisa­tionen wie der »Bundesverband Deutscher Milchviehhalter« oder die »Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft« dem wenig entgegenzusetzen. Sie verfallen zwar nicht in ein rassistisches Weltbild, belassen es aber bei marktkonformer oder moralischer Kritik.

Ebenso bietet das Bündnis der ­Agraropposition »Meine Landwirtschaft«, das seit Jahren zu Beginn der Grünen Woche in Berlin für eine öko­logische und soziale Wende in der Agrarpolitik demonstriert und viel Vernünftiges formuliert, rechtem und antisemitischem Denken eine offene Flanke, indem es immer wieder von der Bedrohung durch »agrarfremde Investoren« fabuliert – als machte es für die grundlegenden Prinzipien der kapitalistischen Wirtschaft, für Weltmarktkonkurrenz und Wachstumszwang, irgendeinen Unterschied, ob das Agrarbusiness ein Familienbetrieb ist oder ­einem Finanzfonds gehört. Bündnisinterne Proteste gegen diese ins Antisemitische weisende »Analyse« wurden stets mehrheitlich abgeblockt.


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