"Solidarität mit Charlie Hebdo – Islamismus und Rassismus bekämpfen"

Kundgebung vor französischem Konsulat Saarbrücken - Samstag, 10. Januar 2015, 12 Uhr

Aus Empörung und Erschütterung über die islamistischen Morde an den Journalisten von Charlie Hebdo rief die Aktion 3.Welt Saar gemeinsam mit der Antifa Saar/Projekt AK, der Kurdischen Jugend Saarland u.a. zu einer Solidaritäts-Kundgebung mit Charlie Hebdo und gegen Islamismus und Rassismus auf. Der Aufruf erfolgte vor der tödlichen Geiselnahme in dem jüdischen Supermarkt an der Porte de Vincennes.

Die Kundgebung fand statt am Samstag, 10. Januar 2015, 12 Uhr, in Saarbrücken vor dem französischen Konsulat, Ludwigsplatz. Als Redner traten auf: Gertrud Selzer, Vorstand der Aktion 3.Welt Saar, Thomas Lutze, MdB, Die Linke, Redner der Antifa Saar/Projekt AK, Vertreter der Kurdischen Jugend im Saarland.

Wir dokumentieren die Rede und Reaktionen darauf.

Übersicht

Redebeitrag von Gertrud Selzer: "Rockin’ in the free world / Liberté – Egalité – Fraternité"

Bericht der Saarbrücker Zeitung

Focus, 17. Januar 2015: "Unsere Freiheit, unsere Feigheit"

Zuschriften / Leserbriefe

Dr. Klaus Beckmann, 12. Januar 2015: Begrüßt Kritik an Religionen

Wolfgang Johann, 12. Januar 2015 "Religionen sind Ideologien um menschliches Handeln zu rechtfertigen"

Arzu Toker, 12. Januar 2015. "Danke Gertrud Selzer"

Rûken Tosun, 12. Januar 2015: "Diese Rufe waren ein Eklat, nicht die mutigen Worte von Gertrud Selzer!"

Bildergalerie

Redebeitrag von Gertrud Selzer: "Rockin’ in the free world / Liberté – Egalité – Fraternité"

Redebeitrag von Gertrud Selzer, Aktion 3.Welt Saar, bei der Kundgebung „Solidarität mit Charlie Hebdo – Islamismus und Rassismus bekämpfen“, am Samstag, 10. Januar 2015, 12 Uhr, Saarbrücken, Ludwigsplatz vor dem französischen Konsulat.

Es gilt das gesprochene Wort.


Liebe Freunde und Freundinnen, liebe Bürger und Bürgerinnen, liebe Genossen und Genossinnen,

der Platz für diese Kundgebung ist gut gewählt: Das französische Konsulat.

Meine Trauer und meine Tränen gelten den getöteten Journalisten, Polizisten und anderen Geiseln des islamistischen Mordanschlages. Mein Mitgefühl den Hinterbliebenen.

Liberté – Egalité – Fraternité

Am Ort dieser Kundgebung erinnere ich bewusst an die Grundsätze der französischen Revolution: Liberté – Egalité – Fraternité. Der Mordanschlag richtet sich gegen diese Grundsätze. Wir beziehen uns übrigens mit der „3.Welt“ in unserem Namen immer schon bewusst auf den 3. Stand der französischen Revolution, der für Freiheit und Brot revoltierte. Aber ich will nicht verhehlen, dass mich manche Reaktionen auf den islamistischen Terroranschlag auch erschreckt haben. Und sie haben mich wütend gemacht.

Morde mit religiösem Hintergrund

Was muss denn noch passieren

  • ich erinnere an den Terror von Boko Haram in Nigeria
  • ich erinnere an die Anschläge in New York, Madrid und London
  • ich erinnere an den IS Terror in Syrien und dem Irak
  • ich erinnere an das islamistische Gipfeltreffen des türk. Ministerpräsidenten mit dem Vorsitzenden der Hamas im Dezember 2014
  • ich erinnere an die aktuelle Auspeitschung des saudischen Bloggers Raif Badawi
  • ich erinnere an Ehrenmorde und Zwangsheiraten in Deutschland

Was muss denn noch passieren, bis jeder und jede kapiert, dass es einen blutigen islamistischen Strom durch die Weltgeschichte gibt? Diese Blutspur ist tagtägliche Realität. Am Mittwoch dieser Woche ermordete Boko Haram in Nigeria 2.000 Menschen. Einfach so. Tag für Tag ermordet der IS in Syrien und im Irak: Kurden, Yesiden, Christen und auch Muslime. Einfach alle, die anders sind.

Es sind muslimische Täter mit einer rückwärtsgewandten Ideologie. Es ist eine breite und träge wogende islamistische Blutspur, die an uns vorbeizieht.

Und das soll mit dem "Islam" nichts zu tun haben?

Angesichts dieser täglichen Blutspur bin ich fassungslos, wenn Erklärungen verabschiedet werden, die sich von der Bluttat in Paris distanzieren,
um im gleichen Atemzug den "Islam" ratzfatz weißzuwaschen. Blut ist nicht weiß. Das Blut der Ermordeten ist rot. Die Morde haben einen religiösen Hintergrund. Es sind islamistische Morde. Sie geschehen planvoll und richten sich immer gegen das Recht auf individuelle Freiheit. Wie borniert und verblendet muss man sein, um die islamistischen Bezüge zu leugnen?

Falsche multikulturelle Toleranz

Liebe multikulturellen Freunde,
in Abwesenheit wende ich mich an Euch:

  • Hört endlich auf, mit dieser Weißwäscherei!
  • Hört endlich auf, so zu tun, als hätten diese Morde nichts mit dem "Islam" zu tun!
  • Hört endlich auf, diese elenden Persilscheine aus zustellen!
  • Hört endlich auf, die Opfer mit Euren Relativierungen noch nachträglich zu verhöhnen!
  • Hört endlich auf, die Augen vor Realitäten zu verschließen!
  • Hört endlich auf, Euch fortwährend zu distanzieren von Liberté – Egalité – Fraternité! Hört endlich auf, Euch vor der offensichtlichen Erkenntnis zu drücken, dass es hier um den Kampf Freiheit gegen Barbarei geht!

Eure falsche multikulturelle Toleranz ist kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Eure falsche multikulturelle Toleranz ist unterlassene Hilfeleistung.

„Es gibt viele moderate Moslems. Aber der Islam ist nicht moderat.“

Ich sage Euch – meine lieben multikulturellen Freunde - noch etwas: Mich hat der Satz der Frauenrechtlerin, Ärztin und Schriftstellerin Taslima Nasrin aus Bangladesh sehr beeindruckt:  „Es gibt viele moderate Moslems. Aber der Islam selber ist nicht moderat.“

Auf diesen Unterschied gilt es aufzupassen. Auf den Unterschied zwischen Moslems und „dem Islam“ und seinen meist ultra-konservativen Organisationen. Natürlich gibt es viele nette, aufgeklärte muslimische Menschen, die sich einen feuchten Dreck um die rigiden Vorschriften ihrer Religion kümmern. Millionen Muslime leben eigentlich ein recht säkulares Leben. Sie genießen die Schönheiten des irdischen Daseins. Und das ist gut so. Das tue ich schließlich auch. Das Problem ist die Ideologie „des Islam“ und das Problem sind die meist ultra-konservativen Islamverbände.

Viele Islamverbände haben sich in der Tat vom Mordanschlag in Paris distanziert und ihr Bedauern ausgesprochen. Das nehme ich Ernst und ich glaube es auch. Entscheidend ist aber, was in all diesen Erklärungen fehlt, was dort nicht steht: Es steht dort

  • kein Bekenntnis zu den Grundsätzen der französischen Revolution und damit auch
  • kein Bekenntnis zu deren Freiheits- und Gleichheitsversprechen.
  • kein Bekenntnis dazu, dass Frauen nicht unters Kopftuch gezwungen werden dürfen
  • Es steht dort kein Bekenntnis zur individuellen Selbstbestimmung

Freiheit gibt es nur dort, wo es auch das Recht gibt, dass das Individuum frei entscheiden kann. Mal so, mal anders, mal ganz anders.

Die islamischen Verbände haben eine Bringschuld.

Deshalb sage ich:

  • Keinen Frieden mit den Feinden der Freiheit!
  • Keine gemeinsame Sache mit denen, die die individuelle Selbstbestimmung von Männern und Frauen bekämpfen!
  • Keinen interreligiösen Dialog, solange ein Bekenntnis aller Teilnehmer zur individuellen Freiheit fehlt!
  • Keine runden Tische, weil sich alle lieb haben und nett sind!

Die islamischen Verbände haben eine Bringschuld. Es liegt an ihnen

  • für eine freie Gesellschaft einzutreten
  • für die Emanzipation des Individuums einzutreten.
  • Es liegt an ihnen für das Selbstbestimmungsrecht von Männern und Frauen zu sein
  • und für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.

Die gleiche Intoleranz findet sich bei PEGIDA.Um es klar zu sagen: Es ist richtig, sich dem Rassismus und Antisemitismus von PEGIDA entgegen zu stellen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Durchsetzung gleicher Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten für ALLE hier lebenden Menschen ist unsere Aufgabe. Wir treten für eine solche multikulturelle Gesellschaft ein, die allen Menschen, ein Leben in Frieden und Freiheit ermöglicht. Es geht um ein gutes Leben für alle Menschen. Es kann nicht um den Erhalt des Abendlandes gehen, sondern um die Verteidigung und die Durchsetzung zivilisatorischer Mindeststandards. Hinter diese darf es kein Zurück geben.

Aber man kann das von PEGIDA Brandstiftern gelegte Feuer NICHT mit islamistischem Benzin und NICHT mit falscher multikultureller Toleranz bekämpfen.

Das geht nicht!

Ich trete seitens der Aktion 3.Welt Saar ein für eine linke, aufgeklärte Islamkritik. Ohne Scheuklappen und ohne multikulturellen Wohlfühlfaktor. Wir haben es in der Vergangenheit oft erlebt, dass wir heftig attackiert wurden, wenn wir Kritik am Islamismus geäußert haben. Wer sich gegen islamistischen Tugendterror wehrt und ihn benennt, ist Attacken ausgesetzt. Mal ist es ein staatlich bezahlter Bildungsreferent, der uns schon 2006 als dumm und gemein beschimpft, weil wir für das Recht eintreten, Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen. Mal ist es das Zuwanderungsbüro der Stadt Saarbrücken, das uns ein „Feindbild Islam“ unterstellt. Mal dominieren öffentliche Diffamierungen, mal wird versucht, uns finanziell auszutrocknen, weil wir Islamismus ablehnen. Es ist ja so einfach, den zahnlosen „Wir-haben-uns-alle-lieb“ Multikultitanz aufs Parkett zu legen und den Geist der Unfreiheit bewusst nicht zu sehen, solange man selbst nicht betroffen ist. 

Aber das sind eigentlich nur Peanuts - gemessen an dem, was unsere kurdischen Freunde und Freundinnen zur Zeit in Kobanê durchmachen. Der Kampf der PKK und PYD in Kobanê ist der Kampf ‚Freiheit gegen Barbarei’. Ihnen spreche ich meinen ganz tiefen Dank aus. Liebe Brüder und Schwestern in Kobanê – ich bin oft in Gedanken bei Euch. Und ebenso bei den Toten in Paris. Es ist hier wie dort der Kampf: Freiheit gegen Barbarei.

Rockin’ in the free world

So gerne ich zu Beginn meines Beitrages an die Grundsätze der französischen Revolution erinnert habe, so gerne möchte ich zum Schluss an eines der vielen grandiosen Lieder von Neil Young erinnern. Ein Lied, mit dem kein Islamist seinen Frieden schließen kann:
Rockin’ in a free world.

Darum geht es:
Rockin’ in the free world.
Das ist unser Ziel: Rockin’ in the free world.

© Aktion 3.Welt Saar e.V.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet von der Rede von Gertrud Selzer

"Eklat bei Frankreich-Mahnwache"

Aktion 3. Welt stellt nach Terror in Paris Verbindung zum Islam her – Zuhörer gehen

Von Frank Bredel,Daniel Kirch (SZ), 12.01.2015

Islamkritik gibt es nur bei Rechten? Falsch, bei einer Kundgebung auf dem Ludwigsplatz stellte eine Rednerin der linken Aktion 3. Welt einen Zusammenhang zwischen Islam und den Morden von Frankreich her. Viele Besucher verließen den Platz.

Sie waren zu Hunderten zum französischen Generalkonsulat gekommen, um ein Zeichen der Solidarität mit Frankreich zu setzen. Doch Gertrud Selzer wollte es dabei nicht belassen. Das Vorstandsmitglied der Aktion 3. Welt hielt bei einer Kundgebung am Samstag vor dem Konsulat eine islamkritische Rede, die im Eklat endete. Viele Zuhörer verließen den Ludwigsplatz, es gab „Aufhören!“-Rufe.

Was war geschehen? Die Aktion 3. Welt, die autonome Antifa Saar und die Kurdische Jugend hatten nach den Morden in Frankreich zu einer Mahnwache mit dem Titel „Solidarität mit Charlie Hebdo – Islamismus und Rassismus bekämpfen“ aufgerufen. Auf dem Ludwigsplatz versammelten sich laut Polizei zeitweise tausend Menschen, weil sich zur gleichen Zeit viele Bürger – auch viele Franzosen – in das Kondolenzbuch des Konsulats eintragen wollten.

Dass viele schnell wieder gingen, hing damit zusammen, dass Gertrud Selzer von der Aktion 3. Welt in ihrer Rede recht bald von der „islamistischen Blutspur“ in der Welt auf den Islam als solchen zu sprechen kam: „Angesichts dieser täglichen Blutspur bin ich fassungslos, wenn Erklärungen verabschiedet werden, die sich von der Bluttat in Paris distanzieren, um im gleichen Atemzug den Islam ratzfatz weißzuwaschen. Blut ist nicht weiß. Das Blut der Ermordeten ist rot.“ Und an die „lieben multikulturellen Freunde“ gerichtet, appellierte Selzer: „Hört endlich auf, so zu tun, als hätten diese Morde nichts mit dem Islam zu tun! Hört endlich auf, die Opfer mit euren Relativierungen noch nachträglich zu verhöhnen!“

Einige Zuhörer gaben später auf Facebook an, sie hätten sich wie bei einer Pegida-Kundgebung gefühlt. Doch von dieser Bewegung hatte sich Selzer in ihrer Rede distanziert: Es sei richtig, sich dem Rassismus und Antisemitismus von Pegida entgegen zu stellen. „Aber man kann das von Pegida-Brandstiftern gelegte Feuer nicht mit islamistischem Benzin und nicht mit falscher multikultureller Toleranz bekämpfen.“ Selzer attackierte auch die Islamverbände: „Keinen interreligiösen Dialog, solange ein Bekenntnis aller Teilnehmer zur individuellen Freiheit fehlt!“

Ungewohnte Worte für einen Verband, der seit seiner Gründung 1982 bestens im linken und linksalternativen Spektrum des Landes vernetzt ist und in dessen Beirat Politiker wie Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) und der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze (Linke) sitzen. Selzer sagte, sie trete ein für „eine linke, aufgeklärte Islamkritik – ohne Scheuklappen und ohne multikulturellen Wohlfühlfaktor“.

Generalkonsul Frédéric Joureau und Forbachs Bürgermeister Laurent Kalinowski verließen vorzeitig den Platz, auch die SPD-Politikerin Elke Ferner ging nach Hause. „Ich wollte meine Betroffenheit kundtun. Aber hier wird eine Religion für Terror verantwortlich gemacht. Dabei sollte man keiner Religion pauschal Schlechtes unterstellen“, sagte Ferner. Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann von der Evangelischen Kirche sagte: „Wir machen nicht den Islam für den Terror verantwortlich. Der Islam ist nicht der Islamismus, das werden wir auch in den kommenden Gottesdiensten thematisieren.“

Generalkonsul Joureau sagte: „Ich bin beeindruckt, dass sich so viele Menschen ins Kondolenzbuch eingetragen haben und dafür Schlange standen. Das zeigt die große Solidarität der Mitbürger im Saarland.“ Das Buch werde er persönlich nach Paris bringen.

Eintragungen ins Kondolenzbuch sind noch heute und morgen von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr im französischen Generalkonsulat am Saarbrücker Ludwigsplatz möglich.

Quelle: Saarbrücker Zeitung, 12.01.2015

Focus, 17. Januar 2015: "Unsere Freiheit, unsere Feigheit"

In der Ausgabe von 17. Januar 2015 nennt uns der Focus im Zusammenhang mit den Reaktionen auf die Pariser Anschläge:

"Bei einer Trauerkundgebung für die „Charlie Hebdo“-Opfer in Saarbrücken löste die linke Aktivistin Gertrud Selzer von der Aktion 3. Welt einen Eklat aus, als sie in ihrer Rede dem ebenfalls eher linken Publikum zurief: „Hört endlich auf, so zu tun, als hätten diese Morde nichts mit dem Islam zu tun! Hört endlich auf, die Opfer mit euren Relativierungen noch nachträglich zu verhöhnen!“ Der SPD-Bundestagsabgeordneten Elke Ferner und anderen Gästen war das zu viel Realismus. Sie verließen die Veranstaltung vorzeitig.

Überhaupt scheuen sich viele Politiker und Medienleute offenbar, das religiöse Motiv der Mörder von Paris anzusprechen. ZDF-Chefredakteur Peter Frey rief zwar in einem flammenden Kommentar zur Verteidigung der Freiheit auf, sagte allerdings nicht, gegen wen er sie verteidigen will. Den Begriff „islamistisch“ nahm er nicht in der Mund. Und sofort nach der Bluttat in der „Charlie“-Redaktion erklärten Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel reflexhaft, die Morde hätten „nichts mit dem Islam zu tun“. Der Tranquilizer-Satz fehlte seit einiger Zeit in kaum einer deutschen Politikerrede, wenn es um islamistische Anschläge in Europa und weltweit geht, um die Grausamkeiten des Islamischen Staates oder den Schreckensfeldzug von Boko Haram in Nigeria."

Quelle:focus.de, 17.01.2015, PDF

Zuschriften / Leserbriefe

Nach der Rede auf der Kundgebung auf dem Ludwigsplatz haben wir diese Reaktionen erhalten, die auch an die Leserbriefredaktion der Saarbrücker Zeitung gesendet wurden.

Dr. Klaus Beckmann, 12. Januar 2015: Begrüßt Kritik an Religionen

„Es gibt viele moderate Moslems. Aber der Islam ist nicht moderat.“ Damit hat Getrud Selzer von Aktion 3. Welt Saar für Verstimmung gesorgt. "Islam-Kritik" gebe es nicht nur bei Pegida, empörten einige sich lautstark.

Mich irritiert, dass der Begriff "Kritik" im Zusammenhang mit dem Islam gerade bei linken und vorgeblich der Aufklärung zugetanen Zeitgenossen so negativ besetzt ist. Als evangelischer Christ und Pfarrer begrüße ich, dass in den christlich geprägten Ländern die Freiheit garantiert ist, das Christentum zu kritisieren und Einflüsse meiner Religion auf die Gesellschaft zu hinterfagen. Kritik ist Grundlage jeder demokratischen und rechtsstaatlichen Gemeinschaft. Besonders im linken Milieu gilt "Israel-Kritik" als chic; und prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden. Nur "Islam-Kritik" soll unerwünscht sein und mit Verweis in die rechte Ecke bestraft werden? Was läuft da falsch? Wieso "Aufhören!"-Rufe, wenn unangenehme Fakten benannt werden, über die man doch diskutieren müsste? Eine Gruppe unter Kritik-Tabu zu stellen, entspringt einer Beschützermentalität, die in Wahrheit von Herablassung und Verachtung zeugt. Wer Muslime gegen Fragen abschirmt, hält sie offenkundig nicht für reif genug, selbstbewusst und sachlich zu antworten. Wer Muslime aber als gleichberechtigte Bürger will - und das will Getrud Selzer fraglos -, der erspart ihnen nicht die Fragen, die in entsprechender Situation ebenso an andere Gruppen gerichtet würden.
Auch ich vermisse in den Verlautbarungen muslimischer Funktionäre selbstkritische Aussagen zum Verhältnis ihrer Religion zur freien Gesellschaft. Wie steht es mit der historisch-kritischen Auslegung des Koran und der kritischen Betrachtung des Propheten Mohammed? Damit würde dem Fundamentalismus das Wasser abgegraben. Wie verhält man sich zum Recht jedes Menschen auf Religionsfreiheit, das Recht eingeschlossen, dem Islam abzusagen?

Natürlich ist "der" Islam nicht pauschal terroristisch - und zumindest Frau Selzer hat das auch nicht behauptet. Doch über die Gründe, weshalb im Namen des Islam derzeit so exzessiv Gewalt ausgeübt wird gegen alles, was für Liberalität und Modernität steht, muss geredet werden dürfen. Im Interesse der gleichberechtigten Teilhabe der Muslime an unserer Gesellschaft.

Wolfgang Johann, 12. Januar 2015 "Religionen sind Ideologien um menschliches Handeln zu rechtfertigen"

Religionen muss man als das kritisieren, was sie sind: Ideologien, die bestimmtes Handeln von Menschen begründen und rechtfertigen sollen. Genau das haben wir letzte Woche erlebt: Menschen berufen sich auf eine Religion, um andere Menschen zu ermorden. Natürlich hat das etwas mit dem Islam zu tun – oder hatten die Kreuzzüge etwa nichts mit dem Christentum zu tun? Oder die Spanische Inquisition? Oder die brutale Christianisierung der Ureinwohner in Nord- und Südamerika und anderswo? Natürlich hat das etwas mit dem Christentum zu tun, genauso wie der Djihad, die Vollverschleierung von Frauen, die Sharia und Diskriminierung von „Ungläubigen“ etwas mit dem Islam zu tun hat. Darauf hat Gertrud Selzer dankenswerterweise hingewiesen und wie sich zeigte ist diese Debatte dringend notwendig.

Haben die Mormonen zum Mord aufgerufen, als sie am Broadway 2011 mit dem Musical „The Book of Mormon“ lächerlich gemacht wurden? Auch habe ich keinen katholischen Mordaufruf an den Redakteuren der Satirezeitschrift „Titanic“ im letzten Jahr vernommen, als diese den Papst mit besudelter Soutane zeigte. Den Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb aus Teheran beantworteten jüdische Künstler 2006 mit einem israelischen antisemitischen Karikaturen-Wettbewerb, schließlich könnten Juden am besten Juden durch den Kakao ziehen. Aber Salman Rushdie und Kurt Westergaard müssen um ihr Leben bangen, vor kurzem jährte sich die Ermordung von Theo van Gogh zum zehnten Mal.

Was ich vermisse sind klare Bekenntnisse der Islamverbände zu den individuellen Freiheitsrechten und der Universalität der Menschenrechte. Und das ist doch wohl der Mindeststandard, ansonsten fallen wir hinter die Französische Revolution zurück. Dann können wir uns auch gleich die Sonntagsreden zu den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer sparen.

Arzu Toker, 12.01.2015, Schriftstellerin, war Gründungsmitglied des Vereins Zentralrat der Ex-Muslime

DANKE GERTRUD SELZER!

Je ne suis pas Charlie Hebdo!

Warum nicht?

Ich halte nichts mehr von Deklarationen wie „Je suis Charlie“. Ich habe Freunde und Verwandte durch die Militärjunta in der Türkei verloren. Der Schmerz, er bleibt. Die Lücke für das geistige Schaffen auch. Schon jetzt gibt es Karikaturisten, die sich selbst zensieren. Statt billige Sprüche hochzuhalten ist es jetzt an der Zeit, klare Worte auszusprechen. Es ist Zeit für eine klare Haltung. Lieber rocke ich in der freien Welt der Liberté – Egalité – Fraternité, übe Solidarität mit Charlie Hebdo und  bekämpfe Islamismus und Rassismus, als eine derjenigen zu sein, die gestern sich für die Freiheit einsetzten und „Wir sind das Volk“ schrieen und heute gegen Flüchtlinge brüllen.  

Deshalb, Gertrud Selzer:

Lassen Sie sich den Mund nicht verbieten! Hören Sie bitte nicht auf, sondern reden Sie weiter über Islam und Freiheit, wo immer Sie können und vor allem, solange Sie dürfen!

1974, als ich nach Deutschland kam, träumte ich vom Land der Philosophen - Kant, Nietzsche... Dem Land der Denker. Als man mich für eine Photoausstellung fragte, was Deutsch für mich bedeutet, sagte ich: Deutsch ist meine Freiheitssprache, Deutschland meine Heimat.

Doch als die Islamisten sich organisierten, veränderte sich meine neue freiheitliche Heimat schleichend. Zunächst entstanden die Runden Tische. Kirchenleute und Leute der Gülen-Bewegung und islamischer Organisationen tauschten sich darüber aus, was die Religionen verbindet. Einige Jahre später vergaben sogar die Grünen Preise an islamische Organisationen für deren „Sozialarbeit“ mit den Frauen! Sie machten den Bock zum Gärtner. Niemand hörte, wollte hören, was den Unterschied ausmacht: Der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern das Gesetz des Gläubigen. Der Islam verachtet Frauen, verbietet im Koran die Freundschaft mit Nicht-Muslimen, d.h. z.B. mit Deutschen, verbietet die Ehe muslimischer Frauen mit Nicht-Muslimen. Der Islam fördert keine Integration, geschweige denn den Austausch!

Dann gründeten die gläubigen, geschäftstüchtigen Männer ihren Zentralrat der Muslime und erklärten sich zum Vertreter aller Muslime. Sie wollen den Kirchen gleichgestellt werden, um auch in den Steuergenuss zu kommen. Herr Schäuble schob diese Entwicklung maßgeblich an und das Land meiner Freiheitssprache baute sich peu a peu einen Zensor in sein freiheitliches Denkvermögen ein. [Opens internal link in current windowweiterlesen]

Rûken Tosun, 12. Januar 2015: "Diese Rufe waren ein Eklat, nicht die mutigen Worte von Gertrud Selzer!"

Was haben die Mohammed - Karrikaturen mit dem Islam zu tun? Was hat Saudi Arabien mit dem Islam zu tun?
Was hat die Scharia mit dem Islam zu tun?
Was hat Pierre Vogel mit dem Islam zu tun?
Was haben die vielen Auswanderungen jüdischer Menschen aus Europa nach Israel mit dem Islam zu tun?
Nichts?
Wenn wir davon überzeugt sind, fallen wir unseren religionskritischen Freundinnen und Freunden in den Rücken, die für ihren Mut Tag für Tag um ihr Leben bangen, ausgepeitscht oder bereits ermordet wurden.
Wir fallen gläubigen Muslime in den Rücken, die etwas bewegen wollen, die auf einen ehrlichen Diskurs seit Jahren warten.
Aber anscheinend ist schonungslose Religionskritik hierzulande nur deutschen Christinnen und Christen vorbehalten, die jederzeit über Sinn und Unsinn der christlichen Religion ganz selbstverständlich debattieren und schimpfen dürfen.
Der Islam darf sich in Deutschland anscheinend nicht weiterentwickeln. Migratinnen und Migranten sollen gefälligst so bleiben wie sie sind!
Und wenn es hier und da doch Zusammenschlüsse kritischer Denkerinnen und Denker gibt, erntet es "Aufhören" - Rufe, sobald sie ihre Gedanken laut kundtun.
Diese Rufe waren ein Eklat, nicht die mutigen Worte von Gertrud Selzer!

Fotos von der Solidaritätskundgebung für Charlie Hebdo in Saarbrücken am 10.01.2015

Foto: T. Grunow, CC BY 4.0