Grußwort zum kurdischen Newrozfest in Saarbrücken

Das Kurdische Gesellschaftszentrum Saarbrücken lud am 21. März 2016 zur kurdischen Neujahrsfest (Newroz) in das Rathaus Saarbrücken ein.

Roland Röder von der Aktion 3.Welt Saar formulierte in seinem Grußwort 2 Wünsche zu Newroz:
1. Die Aufhebung des PKK Verbotes in Deutschland als Beitrag zu einer politischen Lösung des Türkei-Kurdistan-Konfliktes (Anmerkung: In Frankreich und Luxemburg ist die PKK nicht verboten).
2. Flüchtlinge als Subjekte sehen, die autonom Entscheidungen treffen und dafür keine deutschen Migrationsexperten brauchen.

Das ganze Grußwort als pdf

Grußwort

Newroz-Empfang des Kurdischen Gesellschaftszentrums Saarbrücken

Montag, 21. März 2016, 19 Uhr, Rathaus, Saarbrücken

Roland Röder, Aktion 3.Welt Saar

Es gilt das gesprochene Wort.



Liebe Freunde und Freundinnen des Kurdisches Gesellschaftszentrum,
liebe Gäste,


über dem heutigen Newroz-Empfang liegen dunkle Schatten.
Die Politik der islamistischen Erdogan Regierung hat die zarte Pflanze des Dialogs mit der kurdischen Seite zunichte gemacht.
Die Bilder von der kurdischen Newrozfeier in Diyarbakir sind bekannt, als die Friedensbotschaft von Abdullah Öcalan verlesen wurde. Und viele schöpften Hoffnung.
Die Hoffnung auf eine politische Lösung der kurdischen Frage – diese Hoffnung erfüllte auch viele von uns – ist erstmal wieder dahin.  
Ein Staat, der Städte in der Größenordnung von Saarbrücken – wohlgemerkt, seine eigenen Städte – bombardiert, will keine politische Lösung. Er setzt auf die Karte Nationalismus.

Wichtig ist, dass diejenigen, die für eine politische Lösung sind, dies auch weiterhin formulieren, und sich nicht die Sprache der türkischen Militärs zu eigen machen.


An Newroz darf man Wünsche äußern, was ich gerne tun werde. Ich habe zwei Wünsche:

1.Wunsch Politische Lösung der Kurdische Frage / Aufhebung des PKK Verbotes

Ich wünsche mir eine politische Lösung der kurdischen Frage. Eine politische Lösung bedeutet, dass Kurden und Kurdinnen in der Türkei Zugang zu den Gütern der Gesellschaft haben. Zu den materiellen und kulturellen Gütern.

Und diesen Zugriff auf die Güter der türkischen wie kurdischen Gesellschaft gibt es nun mal nur MIT der PKK und nicht gegen die PKK.
Es gibt Menschen, die können stundenlang über den Türkei-Kurdistan-Konflikt reden. Dabei sagen sie viele gute Sachen. Aber zwei Begriffe vermeiden sie tunlichst: PKK und Abdullah Öcalan.
So als hätte es in Südafrika jemals eine Abkehr von der Apartheid Politik geben können ohne den ANC und ohne die Freilassung Nelson Mandelas.
Es wird in der Türkei keine Lösung der kurdischen Frage geben können ohne Einbeziehung der PKK. Ob dies jedem deutschen Migrationsexperten passt oder nicht , ist unrelevant.
Und zu dieser  politischen Lösung gehört selbstredend auch die Aufhebung des PKK-Verbotes in Deutschland. Dies wäre ein Beitrag zur Integration.

Dieses Verbot existiert seit   1   9   9   3  (!). 1993. Das waren noch nicht alle der heute Anwesenden auf der Welt. Damals ausgesprochen von dem deutschen Innenminister Manfred Kanther (CDU), der einige Jahre nach dem Verbot seinen Hut nehmen musste. Er war in die CDU Schwarzgeldaffaire verstrickt und bezeichnete illegales CDU Geld als „jüdisches Vermächtnis“. Sein Antisemitismus war dann auch den regierenden Eliten in Berlin zu dreist.

Dieses Verbot ist nicht nur ein Verwaltungsakt, sondern betrifft 100.000 und mehr Kurden und Kurdinnen in ihrem Alltag. Es lässt Kinder zusammen zucken, wenn es an der Tür klingelt. Es lässt sie Angst haben, ob Papa oder Mama wieder Ärger mit der Polizei haben. Es lässt manche unruhig den Blick hin und her schweifen, um zu erblicken, wer einen heute wieder nicht von der Seite weicht.

In der Verbotsverfügung steht übrigens klipp und klar drin, dass eine weitere Duldung der PKK Aktivitäten in Deutschland, die deutsche Außenpolitik in der Region Türkei / Irak / Iran unglaubwürdig machen würde. Deutlicher kann ich die geostrategischen Interessen als Triebfeder des Verbots auch nicht formulieren.
Dieses Verbot ist nichts anderes als ein innenpolitisches Disziplinierungsmittel.


2.Wunsch: Flüchtlinge als Subjekte sehen

In Deutschland hat staatlicherseits und seitens der Mehrheit der Zivilgesellschaft niemand etwas gegen „Fremde“ und gegen Menschen anderer Nationalität.
Solange sie Kochkurse geben,
solange sie Musik machen,
solange sie tanzen.
….
Solange sie mit „ihrer“ Kultur „unsere“ deutsche Kultur bereichern.
Aber sobald die „Fremden“ politische Forderungen nach Teilhabe stellen, oder sich gar noch in die inneren Angelegenheiten Deutschlands einmischen, hört die Freundschaft auf.

Durch diese Brille der Entpolitisierung & Kulturalisierung werden auch Flüchtlinge betrachtet.
Es wird tunlichst vermieden, Flüchtlinge als Subjekte zu sehen, die eigenständig, die autonome Entscheidungen treffen.
Es wird tunlichst vermieden, zuzugeben, dass es Flüchtlinge waren, die im letzten Sommer, die Zäune um Europa überwunden und zum Teil eingerissen haben. Ganz ohne Anleitung, ohne Sozialarbeiter und ohne deutsche Migrationsexperten.
Stattdessen verwendet man das grauenvolle Wort von der „Flüchtlingskrise“. Dies ist eine Halluzination, mit der es sich einige aber gut eingerichtet haben.
Mal Hand aufs Herz: Es gibt keine Flüchtlingskrise.
Die größte Last tragen Flüchtlinge und nicht Deutsche.

Mein 2. Newroz-Wunsch ist, dass wir in Flüchtlingen Subjekte sehen, die autonome Entscheidungen treffen. So wie wir auch. Meistens jedenfalls.

Letztlich geht es beim türkisch-kurdischen Konflikt und auch bei der Debatte um Flüchtlinge um eine entscheidende Frage:
Ist die Erde für alle da oder nur für einige Auserwählte?
Für wen ist die Erde da?

Je nachdem, wie ich diese Frage beantworte,
bin ich
1.Entweder für oder gegen das PKK Verbot
2.Entweder dafür oder dagegen von Flüchtlingskrise zu reden.
3.Entweder dafür oder dagegen, Flüchtlingen einen Status der Autonomie zuzugestehen.

Ich will meinen kleinen Teil dazu beitragen, dass meine Wünsche in Erfüllung gehen und wir uns in einem Jahr zu Newroz unter besseren Vorzeichen wiedersehen. Ich lade Sie ein, das Gleiche zu tun. Denn die Erde ist für alle da.

Vielen Dank.