Islamunterricht an öffentlichen Schulen

Am 29. September referierte der Saarbrücker Religionswissenschaftler Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig an der Volkshochschule Saarbrücken zur Problematik des Islamunterrichts an öffentlichen Schulen in Deutschland.

 
Veröffentlicht auf hpd (http://hpd.de)
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Veranstaltungsbericht 5 Okt 2009 - 10:27 Nr. 7892

Islamunterricht an öffentlichen Schulen?

SAARBRÜCKEN.(hpd) Am 29. September referierte der Saarbrücker Religionswissenschaftler Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig an der Volkshochschule Saarbrücken zur Problematik des Islamunterrichts an öffentlichen Schulen in Deutschland.
Bekannt ist Ohlig vor allem als exponierter Vertreter der „Saarbrücker Schule“ der Islamwissenschaft, die die historische Existenz Mohammeds in Frage stellt und den Ursprung des Islams in einer Strömung des Christentums vermutet.
Grundsätzlich sei die Frage, ob es Islamunterricht an öffentlichen Schulen geben solle, entschieden, betonte Ohlig einleitend. Es bestehe ein alle Bundesländer umfassender Konsens, dass dieser einzuführen sei. Allerdings sei das Vorhaben mit Problemen verbunden. Es handele sich hierbei eh um ein deutsches Problem, das sich so in vielen anderen Ländern nicht stelle. Im laizistischen Frankreich etwa gebe es keinen Religionsunterricht an staatlichen Schulen, weswegen die Frage, ob dieser einer weiteren Religionsgemeinschaft zuzugestehen sei, sich erübrige. Allerdings stellte er klar, dass in Frankreich zahlreiche von Religionsgemeinschaften getragene Privatschulen existieren, für die das nicht gilt.

Geschichte des Religionsunterrichts in Deutschland
Zunächst gab Ohlig einen Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland. In Preußen wurde 1717 die allgemeine Schulpflicht eingeführt, einschließlich obligatorischen Religionsunterrichts, wobei die staatlichen Schulen ohnehin evangelisch geprägt waren. 1918 wurden zwar Kirche und Staat formal getrennt, doch blieb der Religionsunterricht als Schulfach davon ausgenommen. Die Nazis schlossen mit der Katholischen Kirche ein Konkordat ab, das ihr unter anderem das Privileg des schulischen Religionsunterrichts zugestand. Ähnliche Abkommen gab es mit der Evangelischen Kirche. Das Grundgesetz regelte diese Frage neu. Der Religionsunterricht gehört seither zu den Bereichen, in denen Staat und Kirche zusammenarbeiten. Ausnahmen bilden die so genannten bekenntnisfreien Schulen. Der Staat führt die Oberaufsicht, bestimmt aber nicht über den Inhalt. Die Lehrpläne werden von Kirchen und Staat gemeinsam festgelegt, die Religionslehrer benötigen ein Staatsexamen. Mit der Einführung von Bachelor-Studiengängen beträgt das erforderliche Studium 10 Semester. Zuständig sind die Bundesländer, die mit der Evangelischen Kirche Staatskirchenverträge, mit der Katholischen Konkordate abschließen.
Eine Sonderregelung sieht das Grundgesetz für Länder vor, die am 1.1.1949 eine andere landesrechtliche Regelung hatten. Sie wird auch als „Bremer Klausel“ bezeichnet, weil sie zunächst Bremen betraf. Diese heute auch für Berlin und Brandenburg geltende Ausnahme stellt die betreffenden Länder von der verfassungsmäßigen Pflicht frei, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen anzubieten. In Berlin gab es die Initiative zu einer Volksabstimmung, diesen einzuführen, was von den christlichen Kirchen und von muslimischen Gruppen unterstützt wurde, die jedoch scheiterte.
Die Bestrebungen der Bundesländer zur Etablierung regulären islamischen Religionsunterrichts werden von den Kirchen begrüßt. Der Umsetzung stehen jedoch, so Ohlig, verschiedene Schwierigkeiten im Wege.

Rechtliche Schwierigkeiten bei der Einführung des Islamunterrichts
Die gravierendsten Schwierigkeiten seien rechtlicher Art. Vor allem fehle auf islamischer Seite ein durch die Rechtslage geforderter Ansprechpartner. Der Islam sei von Anfang an keine Kirche gewesen. Es gebe keinen Klerus. Im schiitischen Iran gebe es zwar eine Art Klerus, aber auch nicht im Sinne der christlichen Kirchen. Zwar existierten im Islam Autoritäten, aber diesen komme keine offizielle Rolle zu. Die höchste Autorität im sunnitischen Islam stelle die Al-Azhar-Universität in Kairo dar, aber auf die höre kein Mensch. Auch Moscheegemeinden seien keine Gemeinden in unserem Sinne, die Moscheen würden von den Gläubigen als Individuen aufgesucht. Insofern sei auf islamischer Seite kein institutioneller Gesprächspartner vorhanden.
Hinzu komme das Bestehen unterschiedlicher Richtungen im Islam. Die Mehrheit seien Sunniten, mit vier verschiedenen Rechtsschulen. Daneben bildeten die Schiiten eine sehr große Gruppe. Diese hätten sich laut Überlieferung im 7. Jahrhundert vom übrigen Islam getrennt, was Ohlig allerdings für historisch zweifelhaft hält. Sunniten und Schiiten würden sich gegenseitig nicht anerkennen. Außerdem gebe es sehr viele Aleviten. In der Türkei seien sie diskriminiert, aber ihr Status verbessere sich zur Zeit. Die aus der Türkei stammenden sunnitischen Schüler wiederum seien zum Teil Türken, zum Teil Kurden, die man nicht in denselben Religionsunterricht setzen könne. Es existiere eine Reihe unterschiedlicher muslimischer Verbände und Dachverbände. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland fühle sich von keinem dieser Verbände repräsentiert.
Das für künftige islamische Religionslehrer erforderliche Studium sei ein wissenschaftliches Studium, das außer Pädagogik zwei Fächer umfasse. Zur Ausbildung dieser Religionslehrer sei die Einrichtung eines Lehrstuhls vorgeschrieben. Erst wenn dann die ersten ihr Studium abgeschlossen hätten, also frühestens in ein paar Jahren, könne überhaupt mit dem Islamunterricht begonnen werden.
Ohlig lehnt Kompromisse unterhalb dieses Levels ab. Muslimische Schüler dürften nicht schlechter behandelt werden als andere. Er befürchtet, dass es angesichts der Schwierigkeiten aus lauter Verzweiflung zu Schnellschüssen kommen kann. In Österreich sieht er da ein abschreckendes Beispiel. Dort seien ohne Rücksicht auf Qualifikationen Leute als Islamlehrer eingestellt worden. Wie sich herausgestellt habe, hätten 40 % von ihnen keinerlei Ausbildung und über die Hälfte sei der Meinung, Demokratie vertrage sich nicht mit dem Islam.
In Deutschland sei der erste und bisher einzige Lehrstuhl zur Ausbildung islamischer Religionslehrer an der Universität Münster eingerichtet worden. Der Inhaber dieses Lehrstuhls, der Islamwissenschaftler Kalisch, habe sich, was die dunklen Anfänge des Islam betreffe, den Auffassungen der Saarbrücker Wissenschaftler angeschlossen, die, wie Ohlig, unter anderem die historische Existenz des Propheten Mohammeds bezweifeln. Die Islamverbände hätten deshalb protestiert, der der FDP angehörende Wissenschaftsminister sei vor ihnen in die Knie gegangen, habe Kalisch die Lehrerausbildung entzogen und gegen den Willen der Universität einen zweiten Lehrstuhl geschaffen. Dieser sei mit einem reaktionären Islamprofessor besetzt worden. Der Entzug der Lehrerlaubnis für Kalisch sei illegal, der derzeitige Zustand rechtswidrig.

Inhaltliche Schwierigkeiten bei der Einführung des Islamunterrichts
Neben den rechtlichen machte Ohlig inhaltliche Gründe aus, die die Einführung des Islamunterrichts erschweren. Wenn der Islam nur eine Religion wäre, wäre da kein Problem, aber der Islam verstehe sich als Kraft, die alles bestimme und umgestalte. Er habe keine Aufklärung durchlaufen und verzichte nicht auf die Scharia, lediglich im hiesigen Rechtsraum auf bestimmte Elemente wie etwa das Handabhacken bei Diebstahl. Voraussetzung sei zum Beispiel die Anerkennung von Frauenrechten durch als Ansprechpartner in Frage kommende Verbände. Der Islam könne bestehen bleiben, er dürfe aber nicht rechtsbestimmend sein. An die Muslime sei die Bitte zu richten, sich auf ihre Religion zu konzentrieren. Diese essentiellen Regeln dürfe der Religionsunterricht nicht verletzen. Wer nach Saudi-Arabien fahre, müsse sich dort schließlich auch anpassen, umgekehrt sei hier die Gewährleistung der Werte des Grundgesetzes zu erwarten. Diese Anpassung vorausgesetzt, sei die Einführung des Islamunterrichts unvermeidlich.
Aber auch unter diesen Voraussetzungen sieht Ohlig die Einführung des Islamunterrichts nicht als Ideallösung an. Denn wie schon der Religionsunterricht der christlichen Konfessionen berge der islamische die Gefahr der Separation von Schülern unterschiedlicher religiöser Herkunft. Ihm wäre es lieber gewesen, die Kirchen hätten auf ihr Recht auf Unterricht in öffentlichen Schulen verzichtet und so den Weg frei gemacht für einen interreligiöses Fach Religionskunde anstelle des Religionsunterrichts. Dies wäre seiner Auffassung nach zugleich auch besser gewesen als die Situation in Frankreich, wo das Fehlen eines entsprechenden Unterrichts zu einer noch schlimmeren Separation in Privatschulen führe. Er vermutet, die lautstarken Erklärungen der Kirchen zugunsten der Einführung des Islamunterrichts seien durch das Interesse motiviert, damit auch die Fortexistenz des eigenen Religionsunterrichts festzuschreiben. Da ein Verzicht leider nicht erfolgt sei, sei es jetzt zu spät. Unter diesen Umständen müssten muslimischen Schülern dieselben Rechte eingeräumt werden wie christlichen.

In der anschließenden Diskussion wies ein Teilnehmer darauf hin, dass die Ersetzung des Religionsunterrichts durch ein religionskundliches Fach ja auch anders als durch den angesprochenen Verzicht der Kirchen denkbar sei, nämlich durch eine Grundgesetzänderung, auch wenn diese in absehbarer Zeit realistischerweise nicht zu erwarten sei. Neben Religionen solle ein solches Fach auch nichtreligiöse Weltanschauungen thematisieren.
Ein anwesender Moslem wünschte entschieden die Einführung regulären deutschsprachigen Islamunterrichts. So könnten insbesondere türkische Schüler den Islam kennenlernen, die ansonsten oft den Koran in Koranschulen auf arabisch auswendig lernen würden, ohne ein Wort zu verstehen.
Zu dem Vortrag hatten sich nur sechs Gäste eingefunden. Das ist sehr bedauerlich. Ohlig bot nämlich auf sehr sachliche und zugleich lebendige Weise einen erhellenden Einblick in die Rahmenbedingungen der Bestrebungen zur Einführung des Islamunterrichts. Allerdings bleibt – gerade auch im Interesse von Integration – die Forderung nach einem alle einschließenden weltanschauungsübergreifenden Unterricht anstelle des Religionsunterrichts auch dann richtig, wenn ihrer Umsetzung erhebliche Hürden im Wege stehen.
Klaus Blees

(Der Autor gehört der AKTION 3.WELT SAAR [2] an, wo er im Informations- und Kompetenzzentrums zur Sensibilisierung zum Problemfeld Islamismus mitarbeitet. Kontakt.über E-Mail: mail@a3wsaar.de .)
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Quellen-URL: hpd.de/node/7892


Verweise:

[1] hpd.de/files/Ohlig-Islam.jpg


[2] www.a3wsaar.de


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