"Lagerando.Saarland - Zeit für ein Paket?“

Saarländische Flüchtlingsrat präsentiert Großflächenplakate

"Lagerando.Saarland - Zeit für ein Paket? - Jeder sollte sich sein Essen aussuchen können. Geld statt Lebensmittelpakete im Lager Lebach."

Der Saarländische Flüchtlingsrat präsentiert neue Großflächenplakate im Umfeld und vor dem Flüchtlingslager Lebach. Die Präsentation übernahmen Roland Röder, der für die Aktion 3.Welt Saar e.V. im SFR Vorstand sitzt und Horst-Peter Rauguth geistlicher Beirat des Vorstands von Pax Christi. Die Kampagne wird finanziert aus Eigenmitteln des Vereins.

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Opens external link in new windowDer SR berichtete am 7.12.2017 im Aktuellen Bericht</link>


Hintergrundinformation:

1. Lebensmittelpakete = diskriminierend und respektlos

Das 1993 eingeführte Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Sondergesetz, das den Lebensunterhalt von Asylsuchenden und Flüchtlingen regelt. Eine Konsequenz dieses Gesetzes ist das Sachleistungsprinzip. Dabei handelt es sich im Flüchtlingslager Lebach keineswegs um eine vorübergehende, zeitlich befristete Maßnahme. Alle Flüchtlinge müssen dort zweimal die Woche anstehen, um ihre Rationen des täglichen Bedarfs zu erhalten. Das gilt für neu ankommende Asylsuchende genauso wie für die große Anzahl der Geduldeten, die mitunter seit vielen Jahren nichts anderes als die Versorgung aus Lebensmittelpaketen kennen.

Die Tatsache, dass man sich sein Essen nicht selbst aussuchen kann, wird von den Betroffenen als besonders entwürdigend empfunden, insbesondere, wenn sie schon jahrelang dort leben müssen. Die dauerhafte Anwendung des Sachleistungsprinzips im Lager Lebach verstößt gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Dies lehnt der Saarländische Flüchtlingsrat ab.


2. Lebensmittelpakete = bürokratischer Irrsinn

Die diskriminierende Versorgung durch Lebensmittelpakete ist ein Beispiel dafür, wie Asylpolitik hierzulande gegen die Bedürfnisse der geflüchteten Menschen vollstreckt wird. Sogar um den Preis, dass Verwaltungsaufwand und Transport der Lebensmittelpakete mit hohen Mehrkosten verbunden sind. Jahrelang war in Lebach die Firma "Drei König" aus dem 300 Kilometer entfernten Schwäbisch Gmünd für die Lebensmittellieferungen zuständig und ist es vermutlich bis heute noch. Nebenbei: Das ist weder besonders umweltfreundlich, noch stärkt es die Geschäfte vor Ort.


3. Lebensmittelpakete = Gängelung und Kontrolle

Lebensmittelpakete dienen vor allem der Gängelung und Kontrolle. Ihre Befürworter argumentieren ordnungspolitisch und teilweise sogar diffamierend. Ein bedrückendes Beispiel dafür lieferte der frühere Vorsitzende des Innenausschusses im Saarländischen Landtag, Günter Becker (CDU):
"Es gibt bis heute keinen plausiblen Grund, von dieser Regelung abzugehen. Wie damals sind nach wie vor in Lebach Strukturen vorhanden - das muss man einfach sehen -, die dazu führen, dass durch Schutzgeldforderungen und Erpressungen, Drogen- und Alkoholkonsum die Geldleistungen nicht mehr ihren Zweck erfüllen. Wir wollen aber sichergehen, dass Frauen und Kinder vom ersten bis zum letzten Tag eine ordentliche Versorgung erhalten." (11. Plenum des Saarländischen Landtags, Sitzung vom 16. Januar 2013).


4. Geld statt Sachleistungen ist sofort machbar

Die Saarländische Landesregierung kann jederzeit auf Geldzahlungen umstellen. Der Verweis auf das Asylbewerberleistungsgesetz zählt nicht. Das Sachleistungsprinzip wurde im März 2015 auf bundespolitischer Ebene deutlich begrenzt. Im Gegenzug stimmte der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen) dem sogenannten Asylkompromiss zu, der Serbien, Bosnien und Mazedonien als sichere Drittstaaten einstuft.

Die bundesweite Entwicklung ist eindeutig. Sachleistungen werden immer mehr zur Ausnahme, teils wegen der hohen Kosten, teils ist es vielerorts politisch nicht mehr gewollt. So werden in Hamburg, Bremen, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, jeweils mit Ausnahme der bis zu dreimonatigen Erstaufnahme für Asylsuchende, flächendeckend Geldleistungen gewährt. Das Saarland ist mal wieder Schlusslicht.


5. Geld statt Sachleistungen – Wohnungen statt Lager Lebach

Leben im Lager Lebach heißt nicht nur Versorgung durch Lebensmittelpakete, sondern auch reduzierte medizinische Leistungen und Aufenthaltszeiten bis zu 10 Jahren und mehr. Das alltägliche Leben vollzieht sich dort auf engstem Raum. Privatsphäre gibt es nicht. Keine Landesregierung der letzten Jahre, egal ob "Jamaika" oder "GroKo", wollte etwas Substanzielles an diesem System ändern. Selbst für den einfachsten Schritt, die Abschaffung der Lebensmittelpakete, reichte der politische Wille nicht aus, obwohl es von 2009 bis zu den Landtagswahlen 2017 im Landtag dafür eine faktische Mehrheit gab, die sich allerdings auf Regierung und Opposition verteilte.

Der Saarländische Flüchtlingsrat startet seine neue Kampagne bewusst in zeitlicher Nähe zum Tag der Menschenrechte (10. Dezember). Wir wollen den öffentlichen Druck auf die Verantwortlichen in Regierung und Verwaltung erhöhen und die prekären Lebensbedingungen der Menschen im Lager Lebach wieder verstärkt in den öffentlichen Focus rücken. Die  Abschaffung der Lebensmittelpakete, die die SPD-Saar ja schon länger in ihren Sonntagsreden fordert, ist für den Saarländischen Flüchtlingsrat der Lackmustest für eine humane Flüchtlingspolitik. Im Flüchtlingslager Lebach wurden Traurigkeit und Perspektivlosigkeit über Jahre und Jahrzehnte etabliert. Sie sind das Ergebnis einer auf Abschreckung und Desintegration zielenden Politik. Und genau das muss aufhören.     

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