Migration & Rassismus

Unsere Position zum Thema Migration & Rassismus

Fluchtursachen bekämpfen – nicht Flüchtlinge

Eigentlich ist es einfach. Wenn alle Menschen genug zu futtern haben, flieht niemand deswegen. Menschen fliehen, weil „wir“ ihnen mit unserer Lebensweise die Butter vom Brot nehmen. Hätten weltweit alle Menschen den gleichen Zugang zu den Ressourcen, gäbe es weniger Fluchtgründe.

Solange mineralische und pflanzliche Rohstoffe in den Norden fließen, stehlen „wir“ anderen die Lebensgrundlage.

Und dann kommen sie eben zu uns. Was kein Verbrechen ist – egal, ob sie vor Krieg, Islamismus oder Klimawandel fliehen.

Positiv finden wir, wie sich seit Jahrzehnten unterschiedliche Menschen für Flüchtlinge einsetzen. Chapeau. Doch Vorsicht: Im Mittelpunkt muss der Mensch als Subjekt stehen, mit seinen Wünschen und Sehnsüchten, nicht das Weltbild der Helfer. Unsere Erfahrung: Flüchtlinge wissen, was sie wollen – jedenfalls nicht in Lagern leben und aus Lebensmittelpaketen verpflegt werden.

Für uns ist das Schengener Abkommen, gegen das wir schon 1988 vor Ort demonstrierten, keine reine Erfolgsgeschichte. Es bildet eben auch die juristische wie politische Grundlage für eine Mauer um Europa, für die totale Datenerfassung und steht für Zehntausende Tote auf dem Grund des Mittelmeers. Oft werden die wenigen Flüchtlinge, die es in die sicheren Häfen Europas schaffen, als Fremde betrachtet, die „uns“ etwas weg futtern.

Um dies zu ändern, haben wir ab 2001 den Saarländischen Flüchtlingsrat mitgegründet, waren 20 Jahre lang bis 2022 im Vorstand und arbeiten aktiv mit.

Das Schengener Abkommen

Die Aktion 3.Welt Saar (damals noch als 3.Welt Laden unterwegs) protestierte bereits 1988 in Schengen/Luxemburg gegen die Treffen der sog. Schengen-Gruppe, die alle Grausamkeiten des heutigen Asylrechtes (Festung Europa, Residenzpflicht, Datenaustausch, Abschottung etc.) vorbereitete. Und dies vor der Kulisse des beschaulichen luxemburgischen Weindorfes Schengen an der Mosel; ein paar Kilometer flussabwärtes von den 4 AKWs von Cattenom. Die Regierungsvertreter dinierten in den Schengener Weinbergen und machten Ausflüge mit dem Schiff "Marie-Astrid" auf der Mosel. Von der strategischen Bedeutung dieser Treffen nahmen internationalistische- und Asylgruppen u.a. so gut wie keine Notiz. Hier geht es zum Flugblatt, das damals verteilt wurde und heute noch genauso verteilt werden könnte.

Festnahme nach über 30 Jahren – Bewegung im Mordfall Samuel Yeboah

Am 19.9.1991 wurde Samuel Yeboah in Saarlouis ermordet. Er starb durch einen rassistischen Brandanschlag. Damals gab es mehrere Anschläge gegen Flüchtlinge in Deutschland (Mölln, Solingen, Hoyerswerda, Rostock etc.). Auch im Saarland gab es Anschläge auf Flüchtlingswohnungen oder den Bombenanschlag auf die Wehrmachtsausstellung im VHS Zentrum. Von Seiten der Polizei und Politik wurde jahrzehntelang verharmlost und bagatellisiert.

Die aktive und gewalttätige Neonaziszene in Saarlouis wurde als ein Jugendproblem dargestellt, das mit Sozialarbeitern gelöst werden kann. Das hat nicht geholfen, im Gegenteil. Dass jetzt, nach über 30 Jahren, ein stadtbekannter Neonazi als Verdächtiger festgenommen wurde, werten wir als Erfolg.

Als Aktion 3.Welt Saar haben wir zusammen mit dem Saarländischen Flüchtlingsrat und der Antifa Saar nicht aufgehört an den Fall Samuel Yeboah zu erinnern, gegen den Widerstand der Stadt Saarlouis. Die Stadt betreibt ein ‚Erinnern ohne Vergangenheit‘. Offiziell möchte man an Samuel Yeboah erinnern, aber man klammert die eigene 30 Jahre lang währende Vertuschung und Verharmlosung aus und ebenso die Diffamierung der wenigen, die kontinuierlich an Samuel Yeboah erinnert haben. Bis heute schweigt der Saarlouiser Oberbürgermeister Peter Demmer (SPD) zu den Vorfällen, anlässlich des 30jährigen Gedenktages ist er nirgends in Erscheinung getreten.

Mit dem jetzt anstehenden Prozess ist der Fall aber noch nicht vorbei. Wir fordern daher:
1. Die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses: So wie die saarländische Polizei ihre Fehler aus der Vergangenheit aufarbeitet, gilt es das Versagen der Politik näher zu beleuchten.
2. Akteneinsicht: Um sich unabhängig über die Vorgänge ein Bild machen zu können, sollten die Akten des Falls zugänglich gemacht werden.
3. Anbringung einer Gedenktafel am Rathaus Saarlouis. Seit dem 10-jährigen Gedenken von 2001 gibt es eine in Sandstein gehauene Gedenktafel mit der Inschrift „In Erinnerung an Samuel Yeboah, Flüchtling aus Ghana. Am 19.9.1991 durch einen rassistischen Brandanschlag in Saarlouis ermordet.“ Die Tafel wurde damals am Rathaus angebracht und postwendend durch die Stadt wieder entfernt.

Artikel aus der TAZ dazu.

Reportage "Den Namen pfeifen die Spatzen von den Dächern"
Luxemburger Wort, 09.04.2022

Weitere Infos auch zur Chronologie der Ereignisse gibt es hier