Reaktionen auf die Flugschrift "Bye, Bye Multikulti - Es lebe Multikulti"

Wir veröffentlichen hier die Reaktionen auf die im Dezember 2009 erschienene Flugschrift zum Thema Multikulti.
Hier geht es zur Flugschrift.

Schotten dicht, diskutiert wird nicht.

Schotten dicht, diskutiert wird nicht. Was richtig ist, wird von oben entschieden und nach unten durchgereicht. Diesen Einblick in den Zustand von Teilen der politischen Linken in Deutschland vermitteln die Zeitung „analyse & kritik“, die „Interventionistische Linke“ und „Libertad“. Während alle drei einen Verriss der Flugschrift „Bye bye Multikulti – Es lebe Multikulti“ des Berliner Islamwissenschaftlers A. Bühl abdrucken (siehe hier), lehnen sie es bis heute ab, die Richtigstellung der Aktion 3.Welt Saar und von „Emanzipation und Frieden“ abzudrucken: (Text als PDF-Datei).  Wer weniger diskussionsscheu ist, kann uns gerne zu Vorträgen und Podiumsrunden einladen.

Fundstücke

In dem Blog rhizom [sic] -  cyber nomadism in the desert of the real werden wir wie folgt beschrieben:

"Die für den Text verantwortlich zeichnende 'Aktion 3. Welt Saar' wird dabei rücksichtslos als der rechtspopulistische Haufen bloßgestellt, der zu sein er öffentlich dementiert." Der Artikel findet sich hier: "Das Gerücht über die Muslime".

MondoPrinte veröffentlicht "Eine weitere Empfehlung von rhizom":

"Was einem manchmal an Müll aus der Papierversion einer Zeitung fallen kann, durften unlängst die LeserInnen der ehemals links-alternativen taz erfahren. Einem vierseitigen Pamphlet der Aktion 3. Welt Saar war es vergönnt, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken. Wo “Bye bye Multikulti – Es lebe Multikulti” draufsteht, ist sattsam bekannte Islam-”Kritik” drin – freilich in einen irgendwie links daherkommenden Jargon gekleidet." mehr

Richtig lesen kann er zwar nicht und Recherchieren gehört auch nicht zu seinen Stärken, aber eine Meinung hat er, da ist er sehr (post)modern: Prof. Dr. Achim Bühl schrieb in einem schon vorab im Internet veröffentlichten Artikel in ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 546 vom 22.1.2010, "Islamfeindlichkeit von links".

Was die Aktion 3. Welt Saar unter "Multikulti" versteht

"Bye bye Multikulti - Es lebe Multikulti" unter diesem Titel erschien jüngst eine vierseitige Flugschrift der Aktion 3. Welt Saar. Nach Angaben der HerausgeberInnen wurde davon eine erste Auflage von 100.000 Exemplaren gedruckt und u.a. als Beilage in der taz und der Jungle World unter die Leute gebracht. Ihr Ziel ist es, die "falsche Toleranz" gegenüber dem Islam anzugreifen, die sie vor allem bei "vielen der sich als links, liberal und antirassistisch verstehenden AktivistInnen oder in der Flüchtlingsarbeit Tätigen" festgestellt haben wollen.

Mag die Weltwirtschaft noch so stottern, Islam-Bashing hat ungebrochen Konjunktur. Die Aktion 3. Welt Saar mag in solchen Zeiten nicht abseits stehen. "Es herrscht Konfusion um Multikulti", so beginnt ihre Flugschrift. Die VerfasserInnen des Textes zeichnen sich indes nicht nur durch ein hohes Maß an Konfusion, sondern auch durch ein (un)gehöriges
Maß an Islamfeindlichkeit aus.

Weiterlesen!

"Die Aktion 3. Welt Saar hat wieder eine von den Abschiebebehörden finanzierte Hassschrift verbreiten lassen."

zwitscherte jemand mit offenbar nassen Füßen und/oder vollen Hosen, wie am 09.01.2010 auf Twitter zu lesen war (siehe auch Google-Cache).

ror60.blog // Fußball, Punk und Politik schrieb am 11.01.2010 einige Zeilen über unsere Flugschrift.

Instant Nirvana, Marcus Hammerschmitt, am 12.01.2010:

"Das sehr gute Paper Bye, bye Multikulti - Es lebe Multikulti der Aktion 3. Welt Saar. Überhaupt diese tapferen Leute."

"Machnow" schrieb am 7.1.2010 im Blog "Analyse, Kritik & Aktion" unter der Überschrift "Bye, bye Multikulti - Der Islam und wir"

"Heute flatterte mir mit der aktuellen jungle world die sogenannte Flugschrift der Aktion 3. Welt Saar und der Gruppe Emanzipation und Frieden, die wohl diesmal nicht von prekär beschäftigten Axel Springer Vertriebsfingerchen zugestellt wurde, ins Haus, die so was von langweilig, uninteressant und kompromißlerisch ist. Ich mußte mir schon mächtig die Augen reiben, daß die Speerspitze der islamophoben, (pseudo-) linken Antikulturalist_innen plötzlich gegen Multikulti und gleichzeitig dafür argumentieren. Da gönn‘ ich mir schon lieber einen strammen Nationalisten, Islamophilen sowie Kämpfer gegen den Völkerbrei und für die authochthonen Ur-Deutschen – einen ekelhaften Elsässer."
Weiterlesen

Salon Marx- Politisches und Kritisches aus Trier veröffentlichte am 23.12.2009 einen Artikel zur Flugschrift auf seiner Website.

 

W. Bornholdt, Magdeburg, schreibt uns am 26. April 2010

Die Flugschrift „Bye, bye MultiKulti“ fasst in übersichtlicher Weise, die gesamte Problematik der Akzeptanz „kultureller Besonderheiten“ zusammen. Probleme, die sich verschärfen werden, wenn wir sie nicht offen benennen. Als ich gestern die ersten Blätter verteilte  geschah aber genau das, was ich befürchtet habe:  „Kundschaft“ aus dem arabisch-kurdisch-islamischen Dunstkreis sind mit der Seitenzahl überfordert. Auch ein arabischer Text wäre schon zuviel zum Lesen.

Die deutschen Mitarbeiter unseres Übersetzerpools u.a. sind sicher die falschen Adressaten dieser Flugschrift, aber sie hilft im täglichen Kleinkrieg mit den Ansprüchen und Wertevorstellungen (auch wenn sie manchmal nur erfunden und „islamisch“ begründet werden) klar zukommen. Knackpunkt ist und bleibt einfach, dass unsere europäische, unter langwierigen Kämpfen (gerade gegen religiöse Machthaber) durchgesetzten Menschen- und  Bürgerrechte nicht abgebaut werden dürfen. Diese Regeln und Gesetze müssen der Maßstab für Integration und Akzeptanz sein – nichts weiter. Und damit kann man dann auch „normale“ politische Differenzen frei diskutieren – obwohl auch das schon wieder von anderer Seite  limitiert wird – und kulturelle/religiöse Traditionen leben. Ohne Menschen damit unter Druck  zu setzen!

Walter Bornholdt, Magdeburg
Freier Dozent und beeidigter Übersetzer für Arabisch und Englisch

Jan Groeneveld, Tübingen, 04.03.2010

sehr schön das Ihr das thema aufgreift. das ist zeitgemäß. jedoch begeht
Ihr in Eurer argumentation einen entscheidenden fehler, der es unmöglich
macht Eurer argumentation zu folgen. Ihr betrachtet "den islam" als eine
einheitliche homogene gruppe. der islam jedoch ist genauso vielfältig
und bunt wie es das christentum auch ist. das pendant dazu währe alle
christen mit klukluxklan und mormonen gleichzusetzen. das aber ist
genauso falsch wie alle moslems und muslimas unter islamischen
fundamentalismus zu subsumieren. hier erwarte ich von einer
linksfortschrittlichen gruppe die differenzierte darstellung der
wirklichkeit, statt plumpes schwarzweißdenken.

das kopftuch wird von der mehrheit der muslimas welteit nicht gefordert
oder getragen, interesant ist aber warum frauen, die in der türkei nie
und nimmer ein kopftuch tragen würden, dieses plötzlich in deutschland
tun. wieso überhaupt wird ein kleidungsstück so aufgeblassen und
überbewertet? und ist es nicht auch mitteleuropäische kultur die
menschen über ihren kleidungsstiel zu bewerten? tausendundeine frage
fällt mir dazu noch ein.

die genitalverstümmelung ist kein orginär islamisches problem sondern
zieht sich durch mehrere religionen und rieten. Eure reduzierung auf den
islam fördert reaktionär bürgerliches denken statt aufzuklären um
genitalverstümmelungen zu bekämpfen.

der ehrenmord; eine türkische kolegin hat das einmal so formuliert: "die
türkische ehre ist das was deine nachbarn von dir denken". warum entarnt
ihr nicht diesen begriff, der sogar mal einen deutschen richter dazu
verleiten konnte den mord in der familie straffrei zu stellen.

die unterdrückung von frauen in unserer gesellschaft ist immer noch so
masiv (frauenanteil in gehobenen stellungen, lohnunterschiede, gewalt,
vergewaltigung in der ehe, misbrauch durch den eigenen vater,....) das
es mir sinnvoller erschein ersteinmal den dreck vor der eigenen tür zu
kehren statt FDP-resentiments zu bedienen.

und wer die homophobie in unserer gesellschaft einmal selbst erleben
möchte, der gehe als man, aber mit einem weiblichen dresscode
ausgestattet, durch eine beliebige deutsche stadt. die ablehnung die
dabei zu spuren ist wird fast gleichmäßig von links bis rechts
ausgestrahlt. für lebensmüde empfiehlt sich auch der gang in eine
texanische kneipe (um dieses stereotyp auch noch erwähnt zu haben).

sehr empfehlen kann ich auch den genuss (sorry, brechreiz) der
katholischen radiosender in spanien und polen oder die lektüre von
evang. missionaren in afrika, die allesamt was homophobie, aufstachelung
zu menschenhaß, frauenverachtung, rassismus, etc angeht, kein auge
trocken lassen. der rechtsruck ist in unserer gesellschaft genauso stark
wie in islamischen kulturen.

damit will ich beileibe nicht den wahabismus relativieren, doch wenn es
Euch um die verteidigung und durchsetzung zivilisatorischer
mindesstandards geht, dann erwarte ich eine differenzierte, autentische
und durchaus schwierige darstellung der wirklichkeit.

zu guter letzt will ich nicht unerwähnt lassen , das die angst vorm
eigenen rassismus durchaus berechtigt ist, und auch auf dauer gepflegt
und bewahrt werden sollte. denn, meine angst schütz mich vor allzu
dumpfen argumentationen.

Eure idee und fragestellung ist richtig. Aber mit Eurer argumentation
habt Ihr leider das thema verfehlt.

Anmerkung der AKTION 3. WELT Saar: Vieles in dieser Stellungnahme ist richtig und wird von uns geteilt. Sie bezieht sich leider so gut wie nicht auf die Inhalte der Flugschrift.

Friedhelm Horn, Verden/Rotenburg, am 4. Februar 2010

"Diese Flugschrift ist das Beste,was ich zu diesem Thema bisher gelesen habe. Jeden Satz kann ich unterschreiben. Die Position ist frei von ideologischem Denkmustern bzw. Denkverboten. Es geht tatsächlich um die Zivilisierung der Gesellschaft, und dies  muss  für alle Mitglieder der Gesellschaft gelten! Falsch verstandene Toleranz ist bei dieser Aufgabe kein guter Wegbegleiter.

Friedhelm Horn
(Gründungsmitglied der Bündnisgrünen)
BT-Kandidat 2002
Verden/Rotenburg, Niedersachsen

Uwe Schnabel, Dresden, 26. Januar 2010

Die antideutsche Tendenz in der Flugschrift und im Interview Freie-Radios.net war klar erkennbar. An dem Streit, wer was gesagt hat und Anmerkungen dazu möchte ich mich nicht beteiligen. Mir geht es um die grundsätzlichen Fragen. Einiges dazu wurde von Christian Rode und Johannes Schreiner am 23. 12. 2009 geschrieben.

Zuerst zu den Übereinstimmungen: Ich bin auch gegen den Zwang zu einer bestimmten Kultur. Jede Person soll selbst entscheiden können, welche Kultur sie will. Sie kann sich auch eine selbst zusammenbauen und sie wechseln. Somit bin ich für ein selbstbestimmtes Leben. Das schließt natürlich mit ein, dass anderen Personen das gleiche Recht zugestanden wird. Somit ist ein Recht auf Rassismus oder sonstiger Form von Diskriminierung anderer Menschen
ausgeschlossen.

Deshalb teile ich die Kritik in der Flugschrift, dass "große Teile der Bevölkerung mit  Migrationshintergrund ökonomisch, sozial und politisch ausgegrenzt" werden und an der "unmenschliche(n) Asylpolitik". Das gilt auch für die Herrschaftskritik. Somit bin ich auch für den kulturellen Austausch. "Jeder Mensch muss entscheiden können, ob er die Riten einer gewissen Kultur ausüben möchte oder nicht."

Aber ich bin kein Anhänger des Individualismus. Ich tendiere mehr in Richtung freier Kooperationen. Auch der Individualismus ist ein Zwang. Wenn Menschen in einer  selbstgewählten solidarischen Gemeinschaft leben wollen, die sie auch jederzeit wechseln können, ist dies ihr gutes Recht. Der eigentliche Gegensatz ist also nicht, ob das Individuum oder das Kollektiv im Vordergrund steht, sondern ob es Herrschaft / Machtkonzentration gibt oder ob die Menschen gleichermaßen selbstbestimmt leben können. Deshalb kann ich das Lob des Westens nicht teilen. Allerdings teile ich die Auffassung, dass nicht alles Schlechte aus den USA kommt. Das meiste kommt aus dem kapitalistischen System selbst. Die USA ist da nur eine große Macht, die dieses durchsetzt. Das machen aber andere kapitalistische Staaten, wie der deutsche, und Konzerne im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls. Außerdem bezweifle ich, ob die in der Sendung verwendete Doppelbedeutung von Globalisierung glücklich ist. Der Austausch, die gegenseitige Unterstützung und die Zusammenarbeit hießen zu DDR-Zeiten internationale Solidarität oder Internationalismus. Das unterscheidet das besser von der Unterwerfung der Welt unter Kapitalinteressen als die Verwendung des gleichen Wortes "Globalisierung".

Schließlich habe ich auch nicht verstanden, warum in der Sendung die Ähnlichkeit des Antisemitismus (ich meine nicht den mörderischen der Nazis) und der Islamfeindlichkeit bestritten wurde. Beide werfen Religions- / Herkunftsgruppen vor, sie seien eine Bedrohung, die uns unterwandern und die Herrschaft übernehmen wollen und gegen die sich deshalb mit allen Mitteln gewehrt werden müsste. Zu beachten dabei ist, dass die einen eher dem Handel und dem Finanzsektor, die anderen eher Erdöl und Erdgas zugeordnet werden. Es war sicher kein Zufall, dass von seinen Gegnern dem Präsidentschaftskandidaten Obama vorgeworfen wurde, er wäre Moslem. In der Ablehnung beider Auffassungen (Antisemitismus, Islamfeindlichkeit) sind wir uns sicher einig. Ich hoffe, damit die Diskussion vorangebracht zu haben.

Nora Ulrike Betz, Hamburg, am 20. Januar 2010

Liebe Herausgeberinnen von bye, bye multikulti ... Schon einmal habe ich von euch 20 Exemplare dieser Flugschrift zugeschickt bekommen und konnte sie trefflich zur Verteilung bringen auf einer leider nur privaten Veranstaltung/Lesung mit Matthias Küntzel zu seinem neuen Buch Die Deutschen und der Iran - die  Geschichte einer aparten Beziehung.

Bestimmt habt ihr schon von den heftigen Auseinandersetzung in der Galerie Morgenland bei uns in Hamburg-Eimsbüttel um die Veranstaltungsreihe "Morgenland im Morgenland" gehört, weshalb Matthias Küntzel privat auftreten musste. Eure Flugschrift traf auf sehr großes Interesse, sie wurde mir sozusagen aus den Händen gerissen. Noch einmal möchte ich von euch 30 Exemplare zugeschickt bekommen, die ich hoffentlich auf einer nächsten Versammlung in der Galerie Morgenland zur Verteilung bringen werde. Eure Flugschrift trifft genau ins Herz der Auseinandersetzungen dort. Es wird leider nicht davor zurückgeschreckt, diese so notwendige Auseinandersetzung um den Islam und den Islamismus und den alten/neuen Antisemitismus in muslimischen Gewand als rechtspopulistisch und hetzerisch zu denunzieren. Ist igittigitt, trifft man u.U.auf Leute, die nicht unbedingt polical correct sind. Ist doch viel einfacher, weiterhin über Nazi- und Neonazi-Antisemitismus aufzuklären, damit macht man sich nur Freunde, denn so liegt man ja im politischen Mainstream. Die scheinbare Lösung: Rausschmiss der Reihe "Morgenland im Morgenland" aus der Galerie Morgenland, die sich immer der politischen Aufklärung verpflichtet hatte. Da gehen dann gleich Demokratie, Meinungsfreiheit, Differenzierung, Toleranz, Aufrichtigkeit und nicht zuletzt ein achtsamer Umgang mit dem für die Reihe Verantwortlichen, einem der Gründer der Galerie baden.
Statt Aufklärung und Auseinandersetzung - ablehnende Einheitsfront und - viel schlimmer: Schweigen. So wird aus einer offenen Einrichtung ein Tendenz-Verein. Sehr schade!

Aber das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen. Eure Flugschrift wird hoffentlich trefflich dazu beitragen, die Auseinandersetzungen voranzutreiben und wieder in aufklärerisches Fahrwasser zu bringen. Dass nicht noch mehr Porzellan zerbrochen wird!

C.S. schrieb uns am 20. Januar 2010

Ganz kurz dazu: ich habe die Beilage absolut gern gelesen  (ist ja wichtig bei Flugblättern und Infomaterial, dass man oder frau sie nicht nach 20 Zeilen aus der Hand legt). Der Beitrag ist sehr gut durchstrukturiert. Er ist gut formuliert und trotz seiner klaren Sprache ausgewogen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand aus dem einen oder anderen Lager Euch einen Vorwurf machen  oder der Einseitigkeit bezichtigen kann. (war allerdings aus Zeitmangel nicht mehr auf der HP). Die unterschiedlichen Multikultiszenen sind endlich einmal verständlich beschrieben. In der Mitte, wo es zur Kernbotschaft kommt, benennt Ihr erfreulicherweise die Probleme, ohne Polemik, aber deutlich. Gerade LeserInnen, die noch zur Indifferenz neigen, könnten da Impulse bekommen.

Besonders gelungen empfinde ich das Ende des Beitrags, wo Ihr Euch zur multikulturellen Gesellschaft bekennt, aber in den Grenzen, die der Staat vorgibt. „Zivilisatorische Mindeststandards“ – wer könnte diese nicht wollen? Da sollten sich Viele an die Nase fassen und es noch einmal überdenken.

Eine einzige Sache habe ich nicht ganz verstanden: Ihr schreibt, dass in der BRD große Teile der Migranten ökonomisch, sozial und politisch ausgegrenzt würden, im Gegensatz z B zu den USA. Doch wer sich dort nicht integriert, und zwar ohne jede Hilfe vom Staat, hat keine Chance. Ich glaube, dass es einen Grund gibt, dass türkische Verbände ihren Mitgliedern die Ausreise nach Deutschland ans Herz legen. Necla Kelek hat das auch an einer Stelle ihres Türkeibuchs beschrieben. Seit einigen Jahren erlebe ich eher die Selbstausgrenzung wachsen. Übrigens bekam ich letzte Woche die Milli Gazette in die Hand. Zwei flotte Mitglieder von IGMG outen sich gleichzeitig als SPD-Mitglieder (in Funktionsstellen? Das konnte ich nicht herausbringen). Und wie viele F. Gülens in allen Parteien herumsegeln möchte ich nicht wissen.

Aber das nur eine Randbemerkung. Das Flugblatt ist klasse!

Rûken Tosun-Käfer aus Saarbrücken schrieb am 28.12.2009

"... vielen Dank für die Flugschrift. Es hat gut getan sie zu lesen.

Wenn man in eben diesen, zwar nicht religiös motivierten, aber dennoch
patriachalen Kollektiven aufwächst, erinnert man sich immer wieder
daran, wie alleine man mit all den vielen anderen Mädchen und jungen
Frauen war, wenn man sich dabei ertappte "unzüchtige", "beschämende"
Gefühle, Gedanken und Wünsche zu haben.
Was das für Gefühle und Wünsche waren? Z.B. in der 3. Klasse in den
Jungen aus der Parallelklasse verknallt zu sein, sich mit 14 heimlich zu
wünschen, dass man auch ins Kino oder zum Tanzen ausgehen möchte, mit 16
keine Ängste mehr zu haben, wenn man mit einem Klassenkameraden oder gar
mit seinem ersten Freund Eis essen gehen wollte.

Alleine war man damit deswegen, weil kaum ein Mädchen darüber sprechen
konnte - man hat sich ja selber dafür geschämt, man hatte ein enorm
schlechtes Gewissen den Eltern gegenüber, die nicht müde wurden von den
Strapazen der Migration nach Deuchtschland zu berichten und dem damit
einhergehenden Verzicht auf die wunderbare, mythische verklärte Heimat,
vor allem, damit es die Kinder mal besser haben.
Uns ging es aber nicht gut. Zumindest dann nicht, wenn wir anderer
Meinung waren als unsere Eltern.
All die Warnungen vor der Pubertät, die es nur in den westlichen Ländern
gibt (in der Heimat gab es sowas ja nicht :), haben tief in uns Ängste
und Ambivalenzen ausgelöst. Vor allem aber immer wieder dieses schlechte
Gewissen, die Eltern enttäuscht zu haben, auf die Pubertät
"reingefallen" zu sein, zu verdeutschen sprich zu verdummen, die
Unschuld und Reinheit zu verlieren.

Und die Deutschen? Man ist oft auf die Sorte "Geh zurück, wenn es dir
nicht passt" gestoßen  oder auf Lehrer, die sich bei familiären
Konflikten nicht "einmischen" konnten oder wollten, bis hin zu
Sozialarbeitern vom Jugendamt, die bei häuslicher Gewalt in
Migrantenfamilien -aus welchen Gründen auch immer- "nachsichtiger"
waren, keine Konsequenzen wie Erziehungsbeistandschaft oder im Notfall
die Herausnahme des Kindes aus der Familie zogen. Ich wurde gelegentlich
auf offener Straße angesprochen: "haaaach...aus Kurdistan...toll...da
war ich mal...du...da waren die Frauen alle so stolz und haben so lecker
gekocht... Du hör mal...traust du dich nicht Kopftuch zu tragen? Also
ich hätte kein Problem damit."
(Übrigens - über die, die da so "begeistert" von der "fremdem Kultur"
waren und z.B. auf kurdisch oder türkisch mit starkem Akzent "Guten
Morgen" riefen , um uns zu zeigen, wie wenig sie ein Problem mit
"Ausländern" haben, mussten wir immer lachen und zwar ausnahmweise alle:
Eltern und Kinder.)

Am wenigsten alleine fühlte ich mich bei Freunden und Bekannten, die
differenziert waren, die es nicht gutheißen konnten, wenn uns die
Familie verbot, mit ihnen auszugehen, die uns unterstützten, wenn wir
Beratungsstellen aufsuchten, die uns auf unsere widersprüchlichen
Gefühle aufmerksam machten. Sie haben totzdem keine Vorurteile gegenüber
Migranten - nein, sie sind zu ihnen so, wie allen andern Bürgern dieses
Landes gegenüber. Sie trauen uns zu, mit Kritik umzugehen, sie trauen
unseren Eltern zu, über ihre Erziehungsstile sinnvoll zu reflektieren.
Sie haben es nicht nötig, uns zu "erlauben" unsere "Kultur" auszuleben.

Ich freue mich, dass ihr euch so viele gute Gedanken macht und mit mir
ganz bestimmt all die, die keine Lust haben, auf ihre "Kultur"
festgenagelt zu werden, von wem auch immer.

Herzliche Grüße und alles Liebe und Gute für das neue Jahr."

L. G. schrieb am 26.12.2009

"Augenöffnend und klar gedacht!
Gutmenschliches Wegschauen hat beim Kampf für die Menschenrechte keinen Platz. Gegen Verwirrung hilft es auch einfach mal den Koran zu lesen, dann weiß man mit was für einer Ideologie man es hier zu tun hat. Danke Euch für diese wichtige Flugschrift."

Reginald König, Stuttgart, schrieb am 26.12.2009

"hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft in der Aktion 3. Welt Saar mit
sofortiger Wirkung.

...
möchte ich nicht diese verlogene Flugschrift-Multikulti samt der
Stuttgarter Gruppe Emanzipation und Frieden unterstützen. Letztere
vertritt eine zwar vordergründig islamkritische Position, ist in
Wahrheit aber ein Vertreter der typisch linken, völlig
kulturrelativistischen Multikulti-Ideologie samt dem ebenso typischen
deutschen Selbsthass, dem jede andere Kultur verteidigenswert erscheint,
bloss nicht die eigene. Auch der Begriff "emanzipatorischer
Multikulturalismus" und seine ausgebreiteten Implikationen zeigen, dass
hier alter Wein in neue Schläuche verfüllt wird und letztendlich die
alte(n) Linke(n) ihren ewig gestrigen kulturrelativistischen Selbsthass
abfeiern. Wenn Sie wissen wollen, wo die "wertkritische Linke" einen
Kulturrelativismus par excellence zelebriert, wo westliche Werte als
kapitalistische Machenschaften verdammt, wo die Schuld an allem Elend in
der Welt der kapitalistischen westlichen Welt angelastet und wo
angeblich "Islamophobe" als Rassisten verfolgt werden, dann sehen sie
nach unter www.krisis.org ."

Hannes Platz schrieb am 24.12.2009

"... Sie hat mir sehr gut gefallen. ... Ich hätte mir die Stärkung des multikulturellen Gedankens unter Einbezeihung der Kategorie freie Entfaltung der Persönlichkeit und Religionsfreiheit gerne etwas stärker gewünscht. Also irgendwie das Widersprüchliche etwas schärfer konturiert. Andererseits war sie straight durchargumentiert und ich war zufrieden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es schwer war, dafür Förderer zu finden. Gut, dass die Aktion 3.Welt Saar so kurz vor Weihnachten nochmal mit so einer brisanten Flugschrift präsent ist."

Johannes Schreiner schrieb am 23. 12. 2009

"An die MacherInnen der Flugschrift „Bye, bye Multikulti – Es lebe Multikulti“

In der heutigen taz (23.12.09) habe ich Eure Beilage gefunden und aufmerksam gelesen. In mehreren Punkten stimme ich mit Euren Meinungen bzw. Analysen teilweise überein. Einen Punkt allerdings finde ich bestürzend und beschämend (für Euch):

dass Kopftuchtragen immer wieder undifferenziert mit Kopftuchzwang und öfter sogar Zwangsverheiratung etc. assoziiert wird. Dass es in gewissen Milieus Druck und Beeinflussung für das Kopftuchtragen gibt, kritisieren auch wir schon seit Langem. Solange Ihr aber nicht zu erkennen gebt, dass es in Eurer Sichtweise auch die Tatsache der Freiwilligkeit beim Tragen eines Kopftuches gibt, muss ich Euch leider bescheinigen, dass Ihr für diesen Teil der Wirklichkeit blind seid. Damit leistet Ihr gewollt oder ungewollt einer pauschalen Stigmatisierung von Kopftuchträgerinnen als Opfer Vorschub. Dies empfinde ich als bedauerlich und auch bedrohlich.

Für das neue Jahr wünsche ich Euch eine offene Auseinandersetzung mit Frauen, die sich freiwillig für das Tragen eines Kopftuchs entschieden haben und Euch in dieser Frage sicherlich zu einer Horizonterweiterung verhelfen können.

Mit menschlichen Grüßen

Johannes Schreiner, Mitarbeiter im GWP Saarstraße, Völklingen
(seit über 20 Jahren in verschiedenen multikulturellen Arbeitsfeldern tätig)

PS In derselben taz-Ausgabe ist ein Artikel mit der Überschrift „Musliminnen reden jetzt selber“ (S. 7) erschienen, den ich Euch wärmsten ans Herz legen möchte..."

Christian Rode schrieb am 23.12.2009

"Unter dem Titel „Bye, bye Multikulti – Es lebe Multikulti“
wird eine Neudefinition und eine Abgrenzung des Begriffes Multikulti
versucht. Es finden sich hier eine Reihe interessanter Denkanstöße,
wobei sich auch allerhand Kritisches anmerken lässt.

Die Argumentation gründet auf den individuellen Menschenrechten, wie sie
auch in der Charta der Vereinten Nationen erklärt sind. Sie richtet sich
gegen jede Einschränkung dieser individuellen Menschenrechte durch
Kollektive - in dieser Schrift besonders durch den Islam. Es geht gegen
einen kulturellen Relativismus, der entweder aus Angst vor Rassismus
oder aber aus rassistischen Gründen (!) Probleme religiösen Zwangs (von
der Verschleierung bis zum Ehrenmord) verharmlost.

Auf der Linken wendet sich der Text z.B. gegen Feministinnen, die das
Kopftuch als Zeichen der Emanzipation und des antikapitalistischen
Widerstands deuten, auf der Rechten gegen neue Rechte, die jenseits des
Nationalstaats für eine Welt getrennter Ethnien werben. Einig sind sich
beide laut Flugschrift in ihrem Kampf gegen den US-Imperialismus und
kulturelle „McDonaldisierung“.

Die Gegenposition der Flugschrift lautet im Resümee: „Es geht nicht um
den 'Erhalt der Kulturen', weder der 'deutschen' noch der
'christlichen', der 'westlichen' oder der 'islamischen'. Es geht um die
Verteidigung und Durchsetzung zivilisatorischer Mindeststandards wie
Freiheit von Folter, gleiche Rechte und gleiche Wertschätzung für alle
Menschen (…).“

Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wie jenseits von
Menschenrechtsverletzungen eine multikulturelle Gesellschaft aussehen
soll. Denn der Kultur-Begriff ist in der Flugschrift offenbar v.a.
negativ besetzt. Kulturelle Traditionen und Gruppen stehen v.a. den
Menschenrechten entgegen. Auch ist nicht zu sehen, wie eine
multikulturelle Gesellschaft ohne kulturelle Vielfalt zu haben sein
soll. Und es ist zu überlegen, wie denn eine Welt aussähe, in der es
statt der unterschiedlichen Kulturen nur eine einzige, immerhin
allgemein auf den individuellen Menschenrechten fußende Kultur geben soll.

Mit der Infragestellung von regionalen Strukturen, wie sie nicht nur auf
der Rechten, sondern auch in der alternativen und anarchistischen Szene
z.T. vertreten werden, kommt die Gefahr eines kulturellen und
politischen Zentralismus mit all seinen undemokratischen
Begleiterscheinungen auf.

Ich persönlich denke, dass die Argumente gut abzuwägen sind. An einer
universellen Anerkennung und Umsetzung der individuellen Menschenrechte
geht kein Weg vorbei. Zwangsheirat und Ehrenmorde dürfen – kultureller
Hintergrund hin oder her – nicht toleriert werden. In keinem Staat der
Welt. Aber eine Kultur lässt sich nicht auf ihre negativen Auswüchse
reduzieren. Auch der Islam nicht. Jede Kultur bietet einen reichen
Schatz an Traditionen und Lebenseinstellungen, die historisch gewachsen
den Menschen, die sich in die Kultur einbinden lassen, Orientierung und
ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln.

Menschenrechte können kulturelle Vielfalt nicht ersetzen. Ebensowenig
wie kulturelle Vielfalt Menschenrechte ersetzen kann und darf.
Menschenrechte und kulturelle Vielfalt haben ihre Berechtigung auf
unterschiedlichen Ebenen. Beide gegeneinander auszuspielen, ein
entweder-oder bringt die Menschen um wertvolle Teile ihrer Existenz. Es
kann weder um ein Abschotten der Kulturen voneinander noch um ein
gezieltes Verschmelzen der Kulturen gehen. Auch für die kulturelle
Entwicklung der Menschen in ihren verschiedenen Ausprägungen muss das
Recht auf Freiheit gelten.

Niemand darf mit Zwang in einem Kollektiv gehalten werden, aber niemand
sollte auch durch Zwang dem Kollektiv entrissen werden (von wem?), wenn
er sich in freiem Willen dafür entschieden hat, darin zu leben. Keine
Frau sollte zum Tragen eines Kopftuches gezwungen werden können, aber
keine Frau sollte auch dazu gezwungen werden können, dieses Kopftuch
nicht zu tragen, wenn sie es zu tragen wünscht.

Was also kann Multikulti sein? Bei Respektierung der Menschenrechte als
Basis sollte jede Kultur - auch die islamische - durchaus ein
Existenzrecht haben. Wünschenswert wäre aber, wenn verschiedene Kulturen
unter einem Dach, in einem Staat leben, dass sie sich gegenseitig
anerkennen und in friedlichen Dialog miteinander treten können, um so
wechselseitig voneinander profitieren zu können. Hierbei ist kaum etwas
schädlicher als die Dämonisierung bestimmter (oder aller?) Kulturen. Und
genau da sehe ich ein Problem der Flugschrift. Ihr Verdienst ist
allerdings, dass sie die Problemfelder des Dialogs aufzeigt und zur
Diskussion anregt."