„Warum gibt es Antisemitismus unter Muslimen und wie lässt er sich überwinden?“

Grußwort von Roland Röder, Aktion 3.Welt Saar e.V. bei der Veranstaltung mit Ahmad Mansour , 27.10.2021, Trier


Referent: Ahmad Mansour
27.10.2021, 19 Uhr, Trier, Viehmarktthermen
Veranstalterin: DIG Trier, in Kooperation mit Aktion 3.Welt Saar e.V.

 

Grußwort von Roland Röder, Aktion 3.Welt Saar e.V.

Es gilt das gesprochene Wort.

(Grußwort als PDF)

 

Liebe Gäste, liebe Freunde und Freundinnen, lieber Ahmad Mansour, lieber Mark Indig – stellvertretend für die DIG AG Trier,

seitens der Aktion 3.Welt Saar heiße ich sie herzlich willkommen. Schön, dass ihr von der DIG AG Trier diese Veranstaltung auf die Beine gestellt habt. Und schön, dass wir Kooperationspartner sein dürfen. Der Austausch und das gemeinsame Agieren von beiden Organisationen hat eine lange Tradition. Israel, Antisemitismus und Islamismus sind nur drei von vierzehn Themen, mit denen sich die Aktion 3.Welt Saar e.V. beschäftigt. Wir arbeiten übrigens bundesweit. Wenn Sie mehr über uns wissen wollen, empfehle ich Ihnen unseren Infostand – insbesondere unserer „Bedienungs-Anleitung.“ Es war nicht geplant, dass ich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen etwas mit Israel zu tun habe: Heute hier bei Ihnen und gestern war ich in Essen beim Fußballspiel der Frauen Deutschland vs. Israel. Es war schön, dass das Spiel stattfand und dass es keine Störungen gab. Das ist bei Auftritten von israelischen Fußballteams nicht die Regel.

Und schön, dass Sie, lieber Ahmad Mansour, auch wieder Gast der Aktion 3.Welt Saar sind. Wir waren bereits im Februar 2016 ihre Gastgeberin. Sie referierten auf unsere Einladung vor 250 Menschen im saarländischen Kultusministerium.

Das Thema „Warum gibt es AS unter Muslimen ….“ ist gleichsam anspruchsvoll wie erkenntniserweiternd.

Üblicherweise verbindet man mit AS das, was die Nazis und ihre heutigen Freund:innen mit Juden und Jüdinnen machen – also den klassischen rechten AS.

Es gab in den letzten Jahren zwei sinnvolle Erweiterungen zum klassischen AS: den linken AS, der zwar solidarisch mit toten Juden und Jüdinnen ist, aber auffallend viel Kritik an Israel hat, die mehr als einmal die Grenzen des Tolerierbaren übertritt – wie beispielsweise beim Aufruf israelische Waren zu boykottieren. Eine andere Form von linkem AS zeigt sich in verschiedenen Verschwörungserzählungen.  Die zweite Erweiterung – der muslimische AS – ist Thema des heutigen Abends. Alle drei Formen von AS – rechts, links, muslimisch – zielen letztlich auf das Töten von Juden und Jüdinnen. Gleichwohl haben sie eine andere innere Architektur und deshalb macht eine Unterscheidung Sinn.

Auf die Frage was ist AS überhaupt, sagte Theodor Adorno, AS ist das Gerücht über die Juden. Und Hannah Arendt meinte, letztlich sei man vor AS nur auf dem Monde sicher. Eigentlich sind dies zwei resignierende Feststellungen. Wenn wir ihnen folgen würden, gäbe es die heutige Veranstaltung nicht. Trotzdem machen wir sie - Sie ist der Versuch, auszuloten, was man gegen AS tun kann.  

Wir sind – das unterstelle ich mal – überwiegend Menschen, die auf die Aufklärung, auf den Verstand, setzen. Gegen AS kannst du dreifach handeln:

  1. Mit Bildung und Pädagogik
  2. Mit Politik. Mit Politik meine ich übrigens nicht nur Parteien – genau genommen bin ich als Mitarbeiter der A3WS Politiker.
  3. Und wenn all dies nichts fruchtet, macht es auch Sinn den aus dem Woody Allen Film „Manhattan“ bekannten BASEBALLSCHLÄGER zur Anwendung zu bringen. Gegen Antisemiten.

Man muss sich aber immer im Klaren sein: AS ist keine Meinung, sondern eine zutiefst irrationale Haltung. Eine fest verankerte Haltung, die ihrem Träger Vorteile bringt. Diese Haltung erklärt die Welt, diese Haltung benennt Feinde und diese schaurige Haltung gibt die Richtung für die finale Tat vor, die als Erlösung von allen Qualen hingestellt wird: nämlich das Töten von Juden.

Das Problem beim Kampf gegen AS besteht darin: Du kämpfst gegen einen Gegner, der sich deiner rationalen Sprache, deinen Argumenten und deinem moralischen Appell an menschliche Anständigkeit komplett entzieht. Komplett entzieht. Und dann tritt er auch noch in verschiedenen politischen wie religiösen Gewändern auf: mal rechts, mal links, mal muslimisch – und meinetwegen auch mal konservativ.

Ich nenne zum Schluss noch ein Beispiel aus der bildungspolitischen und konservativen Ecke:

„Juden und Radfahrer beherrschen die Welt. Wieso Radfahrer“ – mit diesem jüdischen Witz aus den 1930er Jahren haben wir ein Plakat und eine Broschüre übertitelt. Beide haben bis heute mehrere Auflagen erreicht: Das Plakat 30.000 Ex., die Broschüre 180.000 Ex.. Mit beiden haben wir - unbeabsichtigt. die beiden größten deutschen Bildungs-Gewerkschaften herausgefordert und zur Klarstellung gezwungen: Die GEW und den Verband Bildung und Erziehung.

Was war geschehen?

Wir haben mit dem Verlag der GEW vereinbart, rund 50.000 Exemplare der Broschüre in den Landesverbänden Rheinland-Pfalz, Saarland, BaWü und Hessen zu verteilen. Nicht umsonst, sondern zum marktüblichen Preis. Alles lief erstmal unspektakulär und normal ab. Wir haben die Vereinbarungen schriftlich bestätigt. Dann teilte uns der GEW Verlag mit, sie dürfen die Broschüren nicht beilegen. Die im GEW Hauptvorstand zuständige Person hätte dies untersagt. Man wolle, so die Auskunft uns gegenüber, sich zu diesem Thema nicht äußern. Oh la la: Das Thema ist immerhin Antisemitismus.

Wohlgemerkt. Es ging hier nicht um eine caritative Leistung sondern um eine Leistung in der Marktwirtschaft.

Nun denn. Daraufhin haben wir beim VBE angefragt und mit deren Verlag die Beilage in 10 Landeszeitungen vereinbart; ebenfalls 50.000 Ex. Den ausgehandelten marktüblichen Preis haben wir sogar im Voraus bezahlt. Die Broschüre lag dann im Sommer 2018 auch in der Zeitung für BaWü bei.

Daraufhin gab es einen regelrechten Shitstorm an Mails an den VBE in BaWü und vor allem an den Verlag. Die Mails waren voller antisemitischer Klischees und zum Teil von Hasstiraden auf Israel. Wir haben diese Quellendokumente Prof. Dr. Dr. Monika Schwarz-Friesel zur Verfügung gestellt. Sie hat sie kommentiert (1.8.2018)

Die Konsequenz war, dass der Verlag postwendend von allen Vereinbarungen zurücktrat und sich weigerte, die vertraglich zugesagte und bereits bezahlte Verteilung vorzunehmen. Das Ganze zog sich über eineinhalb Jahre hin. Letztlich haben wir uns – es stand knapp vor einem Gerichtsverfahren – im letzten Jahr außergerichtlich geeinigt: Der Verlag musste uns die Zahlungen zurückerstatten, die nicht verteilten Broschüren zurücksenden, unsere Anwältin zahlen etc.

Soweit die politische Realität in Deutschland, wenn man die zwei Grundbedingungen der Arbeit gegen Antisemitismus nicht erfüllt:

1. du darfst nur an tote Juden und Jüdinnen erinnern und dich auf Jugendliche fokussieren und

2. du musst den Staat Israel außen vorlassen.

Zur Ehrenrettung muss ich sagen: Die saarländischen Landesverbände der GEW und des VBE hielten sich nicht an die Vorgaben ihres Bundesverbandes und verteilten die Broschüren

 

Liebe Freunde und Freundinnen, liebe Gäste,

der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht einfach, da er keine Meinung ist, die sich durch Fakten korrigieren lässt. Egal was wir tun – der Kampf gegen AS ist immer ein Balanceakt zwischen Pädagogik, Politik und dem Baseballschläger. Lasst uns diesen Balanceakt gemeinsam durchführen.

Danke.


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