"Menschenverachtung zwischen Kinderbuchdeckeln"

Artikel im Trierischen Volksfreund am 21. September 2012

Foto: Gina Inman

Gertrud Selzer von der Aktion 3. Welt Saar hat im Rahmen der Interkulturellen Woche in Saarburg einen Vortrag über Rassismus in bekannten Kinder- und Jugendbüchern gehalten. Die offene, aber auch latente Diskriminierung von Afrikanern im Wandel der Zeit hat sie dabei kritisch beleuchtet.

Saarburg. "Zehn kleine Negerlein …" - wer kennt dieses bunte Kinderbuch nicht? Hier werden Afrikaner als "klein, unfähig und selbst schuld an ihrem Unglück" dargestellt. Hier steckt jede Menge Rassismus und Entwürdigung anderer Menschen in scheinbar harmloser Form, meint Gertrud Selzer, Buchhändlerin und Mitglied der Aktion 3. Welt Saar. Bei ihrem Vortrag hat sie Rassismus und Verbreitung von Vorurteilen, hübsch verpackt in bunten Kinder- und Jugendbüchern, im Wandel der Zeit sehr kritisch unter die Lupe genommen.

Während der deutschen Kolonialzeit und im 20. Jahrhundert wurden Afrikaner oft als "Barbaren" oder "Edle Wilde" dargestellt. Die Helden vieler Abenteuergeschichten und Reiseberichte waren stets weiß, Schwarze wurden als unterwürfig, wenig intelligent und "wild" dargestellt. Selbst christliche Einrichtungen nutzten dieses Bild bei ihrer Missionsarbeit - als erschreckendstes Beispiel mit der Aussage "Durch ein Gebet wird das Afrikakind zu einem Christen."

Um 1900 und nach dem Aufstand der Hereros (bei der 75 000 Menschen durch deutsche Truppen umkamen) in Deutsch-Südwest-Afrika (heute Namibia) wurde diese "Wildheit" der Afrikaner als Rechtfertigung für deren Ausbeutung und Unterdrückung durch die Kolonialherren angeführt. Dieses Gedankengut spiegelt sich etwa in Gustav Frenssens "Peter Moors Fahrt nach Südwesten", einem beliebten Abenteuerbuch für Jugendliche, das 1906 erschien, deutlich wider.

Während des Nationalsozialismus erlebte das Buch nach einer Neuauflage eine neue Blüte: 500 000 Exemplare wurden während des Regimes an Jugendliche verkauft. Bis weit in die 1960er Jahre galten Schwarze in Kinder- und Jugendbüchern als "wild, dumm und schmutzig" und wurden oftmals offen als "Schwarze Teufel" oder "Mordbuben" illustriert. Selbst in sehr guten Kinderbüchern, wenn auch unbeabsichtigt, spiegelt sich eine latente Diskriminierung von Schwarzen wider. Selbst Pippi Langstrumpf und ihr Vater verhalten sich in Taka-Tuka-Land sehr kolonialistisch: Sie machen sich selbst zu Herrschern, und die Einwohner unterwerfen sich den Weißen.

Im beliebten Struwwelpeter gibt es eine Szene, in der Schwarze als Kannibalen geschildert werden und in den Kochtopf kommen. Erst nach einem globalen Umdenken und der Abschaffung der Apartheid finden sich nach 1990 positive Beispiele für selbstbewusste und selbstständige Afrikaner. Im Buch "Sombo" wird aus der Sicht eines starken Mädchens in einem afrikanischen Dorf erzählt und somit auch ein positives Bild von Frauen und Mädchen in Afrika vermittelt. Selzers Fazit: "Politik spiegelt sich in scheinbar unpolitischen Kinder- und Jugendbüchern deutlich wider."
Der Vortrag war vollgepackt mit vielen Beispielen von teilweise "harmlosen" Verniedlichungen, aber auch mit offenkundigem Rassismus gespickten Texten und Bildern in Kinder- und Jugendbüchern. Schade, dass das Angebot im Rahmen der Interkulturellen Woche zum Thema Afrika nur von wenigen Zuhörern angenommen wurde.

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