10.01.2025: Filmvorführung „Attention danger travail” in Saarbrücken
Mitschnitt der Begrüßung durch Mark Unbehend, Vorstand der Aktion 3.Welt Saar
Über 100 Besucher:innen bei Vorführung des Films „Attention Danger Travail“ (Achtung Gefahr Arbeit) +++ interessante Diskussion mit Filmproduzentin Annie Gonzalez
Kein Sitzplatz im Kino Achteinhalb, Saarbrücken, war beim Start des Films „Attention danger travail“ (Achtung Gefahr Arbeit) mehr frei. Es schon bemerkenswert, wenn ein längerer Dokumentarfilm in Französisch mit deutschen Untertiteln und eine einstündige Diskussion dazu über 100 Leute mehr als dreieinhalb Stunden fesselt. Das zeigt, dass das Thema Arbeitskritik immer noch hochaktuell ist. Gemeinsam mit der GEW Saar veranstaltete die Aktion 3. Welt Saar die Vorführung des Films, in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Kino Achteinhalb.
„Der Film erschien 2003, also vor Agenda 2010 und den neoliberalen Umstrukturierungen, welche die Politik in Frankreich Arbeitenden und Arbeitssuchenden nach und nach zumutete“, führte Mark Unbehend, der als Vorstandsmitglied der Aktion 3. Welt Saar die Teilnehmenden begrüßte, anfangs ein. „Seit den Krisenzeiten in den 70ern bestimmen die neoliberalen Antworten fast alle parteipolitischen Vorschläge. Damals kam die Massenarbeitslosigkeit auf. Und bis heute heißt die Botschaft: Es müssen nur die Unternehmen entlastet werden, die schaffen dann schon auch Arbeitsplätze und danach wird es allen gut gehen. Hauptsache Arbeit, das ist die Devise“, führte Unbehend weiter aus.
Im Film waren es vor allem die „Arbeitsmarkt-Deserteur:innen“, wie Pierre Carles und sein Regieteam sie nannten, welche gegen diese Devise erfrischende und deutlich spürbare Impulse im Kinosaal setzten. Dass da nicht die verschämten und bittenden Arbeitslosen gezeigt werden, sondern selbstbewusst auftretende Kritiker:innen der Arbeitsgesellschaft, die keine Lust mehr auf die Zumutungen der Arbeitswelt haben, macht die Sprengkraft des Films aus.
Die Sichtweise der Arbeitsmarkt-Deserteur:innen steht im Film konträr zum damaligen und heutigen Geist der neoliberalen Reformen, welche vor allem von den gezeigten Vertreter:innen des Unternehmensverbands MEDEF, aber auch von Politiker:innen, wie Raffarin, als fast schon religiös anmutende Glaubenssätze vertreten werden.
Das in diesen Gegensätzen enthaltende Ziel der Entzauberung der Verherrlichung von Lohnarbeit war auch einer der Effekte des Films, als er vor mehr als 20 Jahren in Kinosälen uraufgeführt wurde. Annie Gonzalez, Produzentin des Films, erinnerte sich in der Diskussion nach dem Film lebhaft: „Als wir den Film 2003 herausbrachten, haben wir viele Treffen und Debatten in ganz Frankreich veranstaltet, wo wir wirklich Hunderte von Sälen und Debatten besucht haben, und wir haben die Debatten gefilmt, weil es so spannend war. In den Kinosälen gab es lebhafte, intelligente Debatten mit Standpunkten, die sich gegenseitig befruchteten. Manchmal sogar sehr heftig und sehr widersprüchlich“. Umso erfreuter zeigte sich Gonzalez darüber, dass nun nach so langer Zeit wieder eine Anfrage zur Vorführung des Films in ihrem Studio in Montpellier eintraf, die nun auch so gut besucht war, und das dazu noch in Deutschland.
Und sie erinnerte weiter, dass es in den damaligen Debatten auch um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ging: „Das war damals eine sehr politische und ultraliberale Zeit‚ die Phase des ‚There is no alternative‘ – es ging um ein Einkommen auch für die Menschen, die am weitesten von der Arbeit entfernt sind. Das universelle Einkommen, das eine Frage ist, die in den Gesellschaften zyklisch wiederkehrt, zumindest sehr stark in Frankreich, wo es ein Einkommen ist, das man ab der Geburt allen gibt, als Individuum, unabhängig von der Frage, ob jemand arbeitet.“
Damals, so Gonzalez, war vor allem von den Gewerkschaften ein erbitterter Widerstand gegen den Vorschlag des BGE spürbar. Dass dem heute – auch in Deutschland – noch so ist, betonten Besucher:innen der Veranstaltung. Gewerkschafter:innen fügten aber hinzu, dass die Widerstände heute in den Gewerkschaften geringer seien als damals.
Annie Gonzalez war sehr erfreut, dass der Film es vermochte, auch heute die Debatte zum zentralen Stellenwert der Lohnarbeit in unseren Gesellschaften aufrecht zu erhalten. Nach über einer Stunde endete die anregende Diskussion mit der Filmproduzentin, wobei die Debatte noch hätte weitergeführt werden können. Die Veranstalter:innen der Aktion 3. Welt Saar und der GEW Saar wollen dazu weitere Veranstaltungen machen.

Der Film „Attention Danger Travail” (Achtung Gefahr Arbeit) wurde 2003 produziert, dauert 105 Minuten und war in Frankreich – wie viele Filme von Pierre Carles – ein viel diskutierter und von den offiziellen Kinos boykottierter Film.
Pierre Carles stellt dabei die Positionen von Unternehmens- und Staatsrepräsentanten denen von „glücklichen Arbeitslosen” und „Arbeitsmarktdeserteur:innen” gegenüber. Diese drücken selbstbewusst ihre Ablehnung der Arbeitsgesellschaft aus und lassen sich nicht in die Rolle der Opfer und Bittsteller:innen drängen.
Der Film zeigt erstaunlich aktuelle Einblicke in die Arbeitswelt und kritisiert die Fixierung auf Erwerbsarbeit in unseren Gesellschaften. Ganz banal stellt er die Frage, ob es auch ein Leben jenseits dieser Fixierung gibt. Diese Gedanken wurden uns regelrecht aberzogen.
18.30 Uhr: Begrüßung
19.00 Uhr: Start der Filmvorführung (Original mit deutschen Untertiteln)
ca. 21.00 Uhr: Impulse von Annie Madeleine Gonzalez (Produzentin) die per Video zugeschaltet wird - gefolgt von einer offenen Diskussion.
Moderation: Mark Unbehend, Aktion 3. Welt Saar
Diskussion und Begrüßung mit Übersetzung - Eintritt ist frei
Kontakt und Informationen: www.a3wsaar.de, www.gew-saarland.de
Hier gibts den Fyler zum download.
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