„Wir dürfen uns nicht auf die Spielwiese der Konsumkritik abdrängen lassen“

Fest for Future, Saarbrücken, 24.9.2022, Redebeitrag Roland Röder, Aktion 3.Welt Saar e.V.

Am 24. September 2022 , 14 Uhr, fand in Saarbrücken im Park am Staatstheater, das „Fest for Future“ statt. Veranstalter war Fridays for Future Saarland.

Die Aktion 3.Welt Saar e.V. war mit einem Informationsstand und einem Redebeitrag zum Thema „Faire Landwirtschaft weltweit“ mit von der Partie.

Dabei lautete eine der drei zentralen Forderungen im Redebeitrag von Roland Röder, Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V.:

"Wenn wir eine nachhaltige Landwirtschaft wollen, dürfen wir uns nicht auf die Spielwiese der Konsumkritik abdrängen lassen, auch wenn sich einige NGOs damit eine goldene Nase verdienen."

Agrarbroschüre der Aktion 3. Welt Saar e.V.:

„Für eine Faire Landwirtschaft weltweit“

Hier die vollständige Rede:

„Für eine Faire Landwirtschaft“

Roland Röder, Aktion 3.Welt Saar e.V.
Redemanuskript - Es gilt das gesprochene Wort
©Aktion 3.Welt Saar e.V., mail@a3wsaar.de

„Deutsche Kühe weiden in Paraguay und scheißen auf die Bauern im Senegal.“

Dies beschreibt die Perversion des globalen Agrarsystems.

Die Landwirtschaft in Paraguay wurde auf Sojaanbau getrimmt: Kilometerlange Sojafelder und 3x pro Jahr Glyphosat auf die Felder. Bauern und Bäuerinnen wurden mit der Waffe in der Hand gezwungen ihre Felder freiwillig zu verkaufen. Das billige Soja aus Paraguay u.a. Ländern ermöglicht es, Bauern in Europa mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen. Sie verdingen sich als reine Rohstofflieferanten an die Molkereien. Und diese produzieren Kondensmilch für den westafrikanischen Markt, was dort bäuerliche Existenzen zerstört.

Paraguay – Deutschland – Senegal – Die Bauern und Bäuerinnen sind überall die Gelackmeierten.

Dies wollen wir von der Aktion 3.Welt Saar ändern. Und haben deshalb unser Agrarprojekt „ERNA goes fair – für eine Faire Landwirtschaft weltweit“ gestartet. Zentral dabei sind Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit. Damit arbeiten wir auch bundesweit in dem Bündnis „Meine Landwirtschaft“ mit und organisieren jedes Jahr im Januar in Berlin die große Agrardemo.

Das heutige globale System von Landwirtschaft und Agrarhandel ist eine unfassbare Perversion. Es ist auf Hochertrag gezüchtet. Die kleinste Instabilität
- mal zu wenig Regen
- mal zu viel Sonne
- mal ein Krieg wie in der Ukraine
Bringt dieses hochgezüchtete System zum kollabieren´.

Nach wie vor gilt: „Hunger ist kein Schicksal – Hunger wird gemacht.“ Es gibt Hunger, obwohl genügend Nahrungsmittel vorhanden sind. Alleine mit den in Europa und den USA weggeworfenen Nahrungsmittel könnten alle Menschen satt werden. Drei mal.

Landwirtschaft und Agrarpolitik ist eines unserer 14 Themen. Die A3WS ist eine politische Organisation, die bundesweit arbeitet. Und weil wir uns nicht anmaßen, andere zu entwickeln, haben wir bewusst kein Projekt im globalen Süden. Wir entwickeln diesen Laden - also diese Gesellschaft – das ist schwer genug.

Ich halte drei Dinge für relevant, wenn wir eine nachhaltigere Landwirtschaft wollen:

1. Wir dürfen uns nicht auf das Scheingefecht bio gegen konventionell einlassen.

Auch viele konventionelle Bauern haben längst Bio-Elemente in ihren Betrieben drin: verfüttern keine Soja mehr, bauen regionale Vermarktung auf

Was aber Bio und konventionelle Bauern gezwungenermaßen eint:
Beide sind Teil des Kapitalismus. Und da gilt nun mal als ehernes Gesetz der Wachstumszwang. Nicht der einzelne Bauer entscheidet, ob er wachsen will oder nicht, sondern der stumme Zwang der Verhältnisse.

2. Wir müssen MIT Bauern und Bäuerinnen arbeiten – nicht gegen sie.

Sie ernst nehmen, meint auch, sie nicht zu beleidigen mit dem Begriff der industriellen Landwirtschaft. Ein Beispiel aus dem Saarland: Wenn man den heutigen saarländischen Vorzeigebiobetrieb – den Marienhof in Gerlfangen – aus der Perspektive von 1990 betrachtet, dann ist der heutige Biobetrieb industrielle LW. So sehr man glauben und fühlen mag, was er bedeutet, so bitte ich darum, damit sorgfältiger und vor allem zurückhaltender umzugehen.

3. Wir dürfen uns nicht auf die Spielwiese der Konsumkritik abdrängen lassen

Fridays for future hat viel erreicht in den letzten Jahren. Es ist ein wunderschönes Beispiel für Empowerment. Wir haben aufgehört, den Expertinnen und Experten in der Parteipolitik und Wissenschaft zu glauben. Schließlich haben viele von denen - nicht alle – uns die Scheiße eingebrockt.

Die Gegenseite ist nicht dumm. Damit es genau so weiter gehen kann, schenkt man uns mit großer Geste und gönnerhafter Haltung die Spielwiese der Konsumkritik. Wir sollen ein bisschen anders einkaufen und die Politik Politiksein lassen. Dafür gibt es satte und fette Zuschüsse und viele NGOs verdienen sich daran eine goldene Nase. Sie spielen Politik, Symbolpolitik, machen ein bisschen Winke-Winke und halten sich damit de facto aus der Politik heraus. Eine lukrative Spielwiese eben.

Dazu sagen wir klar, deutlich und unmissverständlich NEIN.

Nein, wir lassen uns nicht wie Clowns bei Hofe behandeln und lehnen die Spielwiese Konsumkritik ab. Wir gehen dahin wo es weh tut. Und nur dann können und werden wir etwas verändern.

Ich habe ein Angebot für Fridays for Future:

Wir laden seitens der A3WS eine Handvoll Menschen von euch ein zu einem

Gesprächskreis mit konventionellen Bauern. Wir treffen uns in kleiner Runde. Und erklären uns gegenseitig, wie wir gerne eine andere Landwirtschaft hätten. Seitens der A3WS moderieren wir das Gespräch.

Lasst euch ein auf diesen Prozess des Zuhörens, Mitredens, Reflektierens. Aber Vorsicht: Der spanische Dadaist Francis Picabia hat es formuliert: „Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können.“

Diese Veränderung kann schmerzhaft werden.

Unsere Einladung steht.

Danke.

Fotos: Kai Schwerdt