Jagd im Saarland

Für die Ausgabe Nr. 130 (Winter 2024/25) der Saarbrücker Hefte hat unser Geschäftsführer Roland Röder ein Interview mit dem Vorsitzenden der Vereinigung der Jäger des Saarlandes (VJS), Landesjägermeister Josef Schneider, und dem Geschäftsführer des Verbandes, Johannes Schorr, geführt.

 

Dabei geht es um diese Fragen:

  • Ist Jagd notwendig oder geht es auch ohne?
  • Leben wir in einer Kultur- oder in einer Naturlandschaft?
  • Was macht man, wenn Wildschweine städtische Vorgärten umgraben?
  • Kann jede/er Jäger:in werden?
  • Wie ist das mit dem Waffenbesitz geregelt?
  • Wie läuft der Austausch zwischen Jägern und Naturschützern und Bauern? 
  • Wie sind die Meinungen zu Wölfen?
  • Was hat sich in den letzten 30 Jahren in der Jagd verändert?


Wer darf jagen, wie ist die rechtliche Situation?
Schneider: Das ist in Deutschland einheitlich geregelt im Bundesjagdgesetz. Man muss eine Ausbildung gemacht haben. Die beinhaltet die Waffenhandhabung und Schießprüfung und am Ende die schriftliche und mündliche Prüfung. Man spricht hier vom grünen Abitur. Die Schießprüfung ist aus Tierschutzgründen wichtig. Denn wenn man schießt, dann sollen die getroffenen Tiere nicht leiden.

Werden die Prüfungen alle paar Jahre wiederholt wie beim Auto-TÜV?
Schneider: Nein, es ist wie beim Führerschein. Wer einmal die Jägerprüfung bestanden hat, der behält sie, wenn er zuverlässig und gesundheitlich geeignet ist.
Als VJS sind wir eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, das heißt, der Gesetzgeber hat uns beauftragt, im Saarland die Jägerprüfung durchzuführen. Eine Zwangsmitgliedschaft gibt es bei uns seit Mitte der 1960er-Jahre nicht mehr. Davor gab es sie, weil wir uns an das französische Modell anlehnten. Aktuell haben wir 5.500 Jäger, wovon 80 % bei uns Mitglied sind. Von den Mitgliedern sind rund 10 % Frauen. Wobei an den Prüfungen in der Zwischenzeit 25 % Frauen teilnehmen.

Wenn ich jagen möchte, muss ich im VJS Mitglied sein?
Schneider: Nein, das müssen Sie nicht. Es gibt im Saarland vier private Jagdschulen, die für die Ausbildung zugelassen sind. Wir sind als VJS letztlich die Prüfbehörde für alle Jägerprüfungen im Saarland.
Die Jagdbehörde des Wohnsitzes – also das Landratsamt – stellt den Jagdschein für drei Jahre aus. Vorher prüft sie die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, der Verfassungsschutz wird angehört und eine Reihe weiterer Behörden und zuletzt die Ortspolizeibehörde. Wer einen Jagdschein hat, der gehört in Deutschland zu den am besten und am meisten überprüften Personen.

Was geschieht mit dem Jagdschein nach drei Jahren?
Schneider: Man kann ihn noch mal beantragen. Eine Prüfung braucht es dafür nicht mehr. Das Landratsamt prüft, ob man zuverlässig ist, nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt. Das heißt aber nicht, dass man dann irgendwo auf die Jagd gehen darf, sondern man braucht noch einen Revierinhaber, der einem die Jagd verpachtet.

Wird die Aufbewahrung der Waffen regelmäßig überprüft?
Schneider: Ja, die Waffen werden vom Landratsamt, das als Waffenbehörde fungiert, überprüft; allerdings in unregelmäßigen Zeitabständen. Das ist abhängig von der personellen Ausstattung.

Warum sind Sie denn Jäger geworden?
Schneider: Ich bin Jäger geworden, zusammen mit meinem Bruder, weil ich mich immer schon für Natur interessiert habe. Und vielleicht auch, weil mein Ururgroßvater königlich preußischer Förster gewesen ist.

Okay, dann haben wir jetzt die Preußen im Saarland abgehandelt. Jetzt mal zur gesellschaftlichen Debatte: Als Nichtjäger gibt es für mich drei mögliche Berührungen mit der Jagd: Mir schmeckt die Wildschweinsalami gut, ich bin vielleicht aus ethischen Gründen gegen die Jagd, oder ich lebe in Saarbrücken oder Völklingen und ärgere mich über Wildschweine im Vorgarten. Was würde passieren, wenn es keine Jagd gäbe?
Schneider: Wir leben in einer von Menschen geschaffenen Kulturlandschaft. In einer Naturlandschaft würden sich die Wildbestände von selbst regulieren, nicht aber in einer Kulturlandschaft. Wir müssen die Wildbestände regulieren. Im Guten wie im Schlechten. Wir sind ja als Jäger nicht nur dafür da, Wild zu schießen, sondern eine artenreiche Landschaft zu erhalten. Wild zu erlegen ist nur ein Teil unserer Aufgabe. Und wir achten darauf, dass die Tierarten, die dem Jagdrecht unterliegen, das sind eine ganze Reihe, so erhalten bleiben, wie sie jetzt sind.

Wenn man sich die Landschaft mal anschaut, die hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren massiv verändert im Saarland. Nehmen Sie zum Beispiel den enormen Anbau von Raps und Mais seit den 1970er- und 1980er-Jahren. Ebenso haben wir riesige Flächen mit Photovoltaikanlagen, wo das Wild keine Überlebenschance hat. Beim Niederwild wie Feldhase, Fasan, Kaninchen oder Rebhuhn haben wir extrem geringe Wildbestände, ohne dass noch geschossen wird. Aktuell haben wir auch deswegen auf unsere Kosten 350 Hektar Blühflächen angelegt, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Das machen wir, um die Lebensgrundlagen mancher Arten sicherzustellen.

Zeichnen Sie mal ein Bild, was ohne Jagd passieren würde.
Schneider: Ohne Jagd würden die Beutegreifer zu stark, und manche Wildbestände würden dadurch massiv dezimiert. Wir haben aktuell das Problem mit Krähen, die wir nicht bejagen dürfen, was sich negativ auf den Niederwildbestand auswirkt. Auch Singvögel finden dadurch weniger Lebensraum. Wir hätten, wenn man keine Füchse bejagen würden, auch dort Probleme. Im Moment kommt mit dem Waschbären als Nisträuber eine neue Wildart hinzu, die sich über ganz Deutschland ausbreitet, der bejagt werden muss. Wir können die Natur nicht sich selbst überlassen, sondern der Mensch muss hier regulierend eingreifen. Nehmen wir mal Wildschweine. Die richten große Schäden an. Vor 30 Jahren hatten wir im Jahr 3.000 Wildschweine geschossen, vor zwei Jahren waren es über 13.000.

Wird genug Wild geschossen, und gibt es dazu Konflikte im VJS?
Schorr: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Bauern, die Mais anbauen, hätten gerne, dass mehr Wildschweine geschossen werden. Als Jäger bemühen wir uns um ein Gleichgewicht der Arten. Wobei die meisten Jäger nach ihren Möglichkeiten Schwarzwild (Wildschwein) jagen. Aber in Städten wie in Saarbrücken St. Arnual, im Bereich des Winterbergklinikums oder in Völklingen – Sie nannten das Problem mit den Vorgärten – dürfen wir nicht jagen.

Schneider: Dass es so viel mehr Schwarzwild gibt, hängt mit der Zunahme des Nahrungsangebots und dem Klimawandel zusammen. Als die Winter kälter waren, überlebten dies viele Frischlinge nicht. Sie erfroren. Der Klimawandel trägt dazu bei, dass bestimmte Wildarten sich stärker vermehren und es halt mehr davon gibt als in früheren Jahrzehnten. Umgekehrt fehlt unserem Niederwild Lebensraum, wenn die riesigen Maisfelder abgeerntet sind.

Könnten Sie mehr jagen?
Schneider: Nein. Wir haben bei Schwarzwild eine Überpopulation, hinzu kommen neue invasive Arten wie der Waschbär, die uns große Probleme machen. Vor 20 Jahren sind in Deutschland 10.000 Waschbären geschossen worden, im vergangenen Jahr waren es über 200.000. Die kommen aus den USA und sind in den 1930er-Jahren bei der Pelzzucht hier ausgesetzt worden.

Okay, jetzt habe ich einen Jagdschein, aber kein Land. Wie komme ich zur Jagd?
Schneider: Ich erstand beim Saarforst Landesbetrieb einen sogenannten Begehungsschein und Jagderlaubnisschein. Dort habe ich meinen ersten Rehbock und mein erstes Wildschwein geschossen. Wenn man drei Jahre in anderen Revieren gejagt hat, dann kann man selber ein Revier anpachten, zum Beispiel bei einer Kommune. Aktuell haben alle Jäger im Saarland die Möglichkeit, zur Jagd zu gehen, auch wenn sich die Zahl der Jäger in den letzten Jahren erhöht hat.

Was geschieht mit dem erlegten Wild?
Schneider. Das Fleisch wird komplett verwertet und verkauft. Die Nachfrage ist groß. Wir gehen auf Märkte, auch auf Weihnachtsmärkte, machen Wurst daraus, Salami.

Welche Auswirkungen hat der Polizistenmord von Kusel durch einen Jäger gehabt?
Schneider: Ja, das war ein Jäger, aber er war kein Mitglied im VJS. Das war eine schlimme Tat. Es sind Menschen umgebracht worden. Für uns hat es die Konsequenzen gehabt, dass die Waffenkontrollen seitdem sehr viel schärfer sind. Es war ein absoluter Einzelfall.

Gibt es Wilderei wie durch diesen Jäger häufiger? Und wer wildert?
Schneider: Es gibt nicht viel Wilderei im Saarland, das würden wir sehen. Es war ein Einzelfall. Ein Jäger bezahlt Pacht, ein Wilderer bezahlt nichts, schießt einem Jäger das Wild weg und hält sich auch nicht an gesetzliche Vorschriften wie Schonzeiten.

Schorr: Vor zig Jahren, als die Saarbahntrasse bei Eiweiler gebaut wurde, gab es einen Fall von Wilderei. Die haben ganz klassisch mit Schlingen gearbeitet. Als die Bauarbeiten beendet waren, gab es auch keine Wilderei mehr.

Wenn mir ein Reh ins Auto läuft und ich lade es als kleine Entschädigung für den Schaden am Auto in den Kofferraum: Ist das Wilderei?
Schneider: Ja, das wäre Wilderei.

Laut Medienberichten hat der Kusel-Mörder bis zu 500 Stück Wild im Jahr erlegt und vermarktet. Da muss es doch eine Menge Mitwisser gegeben haben?
Schorr: Ich habe den Umfang nie verstanden. Das entspricht nicht der jagdlichen Erfahrung, dass man 15 oder 20 Stück Damwild in einer Nacht erlegen kann.

Gibt es in Ihren Revieren öfter an- oder abgesägte Hochsitze?
Schneider. Das gibt es immer mal wieder in allen Landkreisen, dass Jagdgegner Hochsitze an- oder umsägen. Das sind dann Straftaten, eine strafbare Sachbeschädigung. Ein großes Problem ist natürlich, wenn Sprossen angesägt werden und man sieht es nicht, was manchmal der Fall ist, Das geschieht insbesondere dann, wenn dies übers Internet Nachahmer findet. Letztlich ist es versuchter Mord.

Apropos Hochsitz: Wenn ich durch den Wald spazieren gehe, darf ich auf einen Hochsitz klettern, mir die Welt anschauen und dabei etwas trinken?
Schneider: Eigentlich nein. Da wird aber auch kein Jäger darüber böse sein, auch wenn es nicht erlaubt ist.

Wir haben bald Weihnachten. Sie haben je zwei Wünsche frei.
Schorr: Mein Wunsch wäre, dass die Krähen endlich mal vernünftig bejagt werden dürfen und nicht nur ausnahmsweise. Das Saarland ist das einzige Flächenland, in dem die Krähen kein jagdbares Wild sind; und das einzige Flächenland, in dem die Niederwildbestände stark zurückgegangen sind. Ebenso wünsche ich mir, dass Landwirte auch dafür bezahlt werden, was sie mit Blühflächen für die Biodiversität leisten.

Schneider: Mein Wunsch wäre, dass wir invasive Arten wie den Waschbären mit Nachtsichttechnik bejagen dürfen. Und ich wünsche mir, dass es uns gelingt zu verhindern, dass der Rotwildwanderweg beim Autobahntunnel in Perl durch eine Photovoltaikanlage faktisch stillgelegt wird. Wenn die Anlage kommt, wandert dort kein Rotwild mehr vom nördlichen Saarland Richtung Lothringen. Dadurch verstärkt sich die Inzuchtsituation im Hochwald. Hier arbeiten wir gemeinsam mit dem BUND und dem Nabu an einer Lösung.

Wie stehen Sie zum Wolf?
Schneider: Wir brauchen den Wolf hier nicht. Wir leben im Saarland in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft mit oft 400 Menschen pro km². Das ist dichter als in anderen Teilen Deutschlands.

Schorr: Ich gehe davon aus, dass in fünf oder zehn Jahren der Wolf im Jagdrecht ist; ähnlich wie in Schweden, wo er bejagt wird. Obwohl das Land für den Wolf geeigneter ist als Deutschland, gibt es dort eine weit geringere Wolfsdichte als hier.