Am 7.Oktober verkündet der BGH in Karlsruhe seine Entscheidung in der Revisionsverhandlung zum Urteil im zweiten Prozess zum Mordfall Samuel Yeboah. Die Verhandlung war am 4.September. „Unabhängig davon ob der Revision stattgegeben wird oder nicht, sind für uns die Durchführung der zwei OLG Prozesse in Koblenz, die umfangreichen Zeugenvernehmungen und die von uns erreichten institutionellen Veränderungen wie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, eines Antirassismus-Beauftragten und eines Opferfonds ein politischer Erfolg.“ So bewertet Roland Röder, Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar, das Verfahren. Diese hat mit einem Team alle 66 Prozesstage der beiden Prozesse in Koblenz besucht.
Der Generalbundesanwalt (GBA) und die Nebenklage haben Einspruch gegen den Freispruch des OLG Koblenz vom 9. Juli 2024 eingelegt. Aus ihrer Sicht wurden Zeugenaussagen, die dem Angeklagten eine Aufforderung zur Brandstiftung unterstellten, nicht korrekt gewürdigt und seine Rolle als Anführer nicht ausreichend in einen Gesamtkontext gestellt. Das OLG Koblenz hatten den Angeklagten der Saarlouiser Neonazis in den 1990er Jahren, Peter St., freigesprochen. Es sah keine direkte Tatbeteiligung an dem rassistischen Brandanschlag vom 19.9.1991 in Saarlouis, in dessen Folge der Flüchtling Samuel Kofi Yeboah ermordet wurde. 20 Bewohner entgingen nur knapp dem Tod, erlitten Verletzungen und wurden traumatisiert. Das OLG attestierte dem Angeklagten in seiner Urteilsbegründung eine immer noch bestehende rechtsradikale Haltung. Im ersten Yeboah Verfahren wurde der Angeklagte Peter S. schuldig gesprochen und zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
„Bei der Revisionsverhandlung sitzt auch das saarländische Staatsversagen auf der Anklagebank“, so Röder. Dreißig Jahre hatten Polizei, Justiz, Parteien und Teile der Medien dieses Verbrechen, das im Kontext von rund 20 weiteren rassistischen Anschlägen während der Regierungszeit von Oskar Lafontaine (SPD) und seinem Innenminister Friedel Läpple steht, als Streitereien zwischen linken und rechten Jugendlichen verharmlost. Mit dieser „Interpretation“ aus dem Hamsterrad der staatlichen Bagatellisierung wurde das eigene Nichtstun legitimiert. Seriös ermittelt wurde nicht.
„Wir hielten 30 Jahre lang gegen massive Widerstände und Anfeindungen durch viele Aktionen den rassistischen Mord an Samuel Yeboah öffentlich in Erinnerung“, so Röder. Daraufhin offenbarte sich eine Zeugin 2020 bei der Polizei und im Sommer 2020 begannen die Ermittlungen und es starteten zwei OLG Prozesse in Koblenz. Ohne das kontinuierliche Wirken von Organisationen wie der Aktion 3.Welt Saar, dem Saarländischen Flüchtlingsrat und der Antifa Saar wäre dies nie möglich gewesen.
Hintergrundinformationen:
2025: Aufklärung des Mordfalls Yeboah – Aktion 3.Welt Saar erhält Demokratiepreis der Bundeszentrale für politische Bildung
https://t1p.de/pvjri
2025: Übergabe der Gedenktafel im Rathaus Saarlouis an OB Marc Speicher (CDU)
https://t1p.de/w9lhb
Artikel und Prozessberichte zu zwei Mordprozessen „Samuel Yeboah“
https://t1p.de/lqoqm https://t1p.de/66qdt
Süddeutsche Zeitung, 4.7.2024, „Kampf gegen Rassismus: Was hier verhandelt wird, lässt ihm bis heute keine Ruhe“ https://t1p.de/h1u1b
„Wenn Antifaschist:innen Erfolg haben - Die lange verweigerte Aufklärung der Morde an Burak Bektaş (Berlin) und Samuel Yeboah (Saarland) – Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ Veranstalterinnen: VVN/BdA Berlin, Aktion 3.Welt Saar; 22.1.25 - Berlin
https://t1p.de/o6xup