Stellungnahme der Aktion 3.Welt Saar e.V. zur Anhörung des Innen- und Verfassungsausschusses zur Bestellung eines/er Beauftragten des Saarlandes gegen Rassismus

Seitens der Aktion 3.Welt Saar e.V. begrüßen wir die Einsetzung eines / einer Beauftragten gegen Rassismus. Wir halten dies für eine sinnvolle staatliche Reaktion auf vorhandene gesellschaftliche Schieflagen.

 

Rassismus hat Kolonialzeit und NS überdauert

Rassismus im Sinne der UN - Definition – also das Heranziehen von äußeren Merkmalen wie Hautfarbe, Herkunft, um daraus eine Bevorzugung oder Benachteiligung abzuleiten – findet sich in allen Teilen der Gesellschaft: staatlichen Institutionen, Parteien, und ebenso in der Zivilgesellschaft. Letztere ist nicht per se besser, nur weil sie keine Partei ist. Diese Definition lehnt sich eng an die des französischen, jüdischen Rassismus-Forschers Albert Memmi (1920 – 2020)  an. Die immer wiederkehrenden Diskussionen um das N-Wort sind wie ein Brennglas der innergesellschaftlichen Rassismus-Diskussion. Und sie zeigen, dass solche Diskriminierungen den deutschen Kolonialismus und den NS überdauern und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Werte einer Republik vertragen sich nicht mit Rassismus.

Beauftragter/e gegen Rassismus zeigt lernenden Staat

Wir begrüßen es, dass die Stelle und die innehabende Person unabhängig ist und nicht an Weisungen von Ministerien, dem Landtag oder der jeweiligen Landesregierung gebunden ist. Die Einrichtung einer solchen Stelle ist im besten Sinne des Wortes Ausdruck einer lernenden Gesellschaft, einer lernenden Organisation und eines lernenden Staates.

Mordprozess „Samuel Yeboah“ stand Pate

Dieses Lernen und die Einrichtung einer solchen Stelle – die erste in einem Bundesland – wurde entscheidend beeinflusst, durch die Mordprozesse „Samuel Yeboah“, der seit November 2022 vor dem OLG Koblenz (Staatsschutzsenat) stattfinden. Der rassistische Mord geschah am 19.9.1991 in Saarlouis. Polizei, Justiz und Parteien bagatellisierten diesen Mord und die rund zwanzig anderen Brand-, Bomben-, Mord- und Terroranschläge dieser Zeit wahlweise als Einzelfälle oder als das Ergebnis der Auseinandersetzungen von linken und rechten Jugendlichen. Das war das saarländische Staatsversagen. Dass überhaupt seit 2020 in diesem Mordfall ermittelt wurde und seitdem neben den zwei OLG - Prozessen – der zweite wird am 9.7.24 zu Ende gehen – ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss und ein Opferfonds eingerichtet wurden, ist ebenfalls Ausdruck staatlicher Lernfähigkeit, als Ergebnis deutlicher Interventionen aus der Zivilgesellschaft.

Zwei Fallstricke – Der Missbrauch des Begriffs „Rassismus“

Aufgrund unserer langjährigen praktischen wie theoretischen Erfahrungen im Engagement gegen Rassismus, weisen wir auf zwei Fallstricke hin:

1. Antisemitismus ist keine Unterform von Rassismus oder „religiöse Intoleranz“ sondern eine eigene Diskriminierung - mit Schnittmengen zum Rassismus. Deshalb gibt es die eigenständige Stelle eines Beauftragten gegen Antisemitismus.

2. Religionskritik wird von manchen gerne mit Rassismus gleichgesetzt. Dafür wird meist der Kampfbegriff des „antimuslimischen Rassismus“ verwendet. Dann wäre Kritik am Christentum (an der Kirche) „antichristlicher Rassismus“.

Ein ehrliches Engagement gegen Rassismus sollte sich keine neuen Fettnäpfe schaffen und sich von diesen beiden sprachlichen Gleichsetzungen fernhalten.

Losheim am See, den 24. Juni 2024