Freiheit. Würde. Menschenrechte.

Solidaritätserklärung der Aktion 3. Welt Saar e.V. und des Saarländischen Flüchtlingsrates e.V. anlässlich der Verhaftungen in der Türkei von Figen Yüksekdag, Selahattin Demirtas und weiteren Abgeordneten der Demokratischen Partei der Völker (HDP)

Erdogan polarisiert: Wer sich nicht unterwirft, wird abgeräumt

Seit dem Putsch vom 15. Juli 2016 befindet sich die Türkei im Ausnahmezustand. Bis heute wurden mehr als 30.000 Menschen verhaftet, darunter die beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen HDP (Demokratischen Partei der Völker)  Figen Yüksekdag und  Selahattin Demirtas sowie weitere Abgeordnete dieser Partei. Erdogans Weg in die islamistisch geprägte Diktatur bedeutet Ausschaltung jeder politischen Opposition, Einschränkung der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit, Zerschlagung rechtsstaatlicher Strukturen sowie Willkür und Folter. Hinzu kommt eine eskalierende Gewalt der türkischen „Sicherheitskräfte“ gegen die kurdische Bewegung, nachdem Erdogan die Friedensverhandlungen mit der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Sommer 2015 einseitig beendet hat.  Erdogans Kurs ist populistisch („Wenn mein Volk die Todesstrafe fordert, muss ich das respektieren“) und zugleich polarisierend: Wer sich nicht unterwirft, wird abgeräumt. In seinem Wüten geht er sogar gegen den kurdischsprachigen Zeichentricksender Zarok TV vor, der so gefährliche Sendungen wie „die Schlümpfe“ und „Biene Maja“ ausstrahlt.

Die Kosten zahlen andere

All dies geschieht vor unseren Augen, tagtäglich und scheinbar ungebrochen in einem Land, das nicht nur NATO-Mitglied, sondern dessen wichtigster Handelspartner Deutschland ist. So gibt es rund 6000 Firmen in der Türkei mit deutscher Kapitalbeteiligung. Firmen wie BASF, Siemens, Bayer oder Bosch agieren auf dem türkischen Markt. In türkischen Shoppingcenters gibt es Lokale von Tchibo, Saturn, Deichmann, Rossmann, Media Markt oder Real. Beim deutschen Rüstungsexport liegt die Türkei mit einem Gesamtvolumen von 76,4 Millionen Euro auf Platz 8. Und spätestens seit dem Türkei-EU-Deal wissen wir, dass die Türkei in ihrer Rolle, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, für die EU zum Schlüsselpartner geworden ist. Soweit die harten Fakten, die Kosten der Freiheit zahlen allerdings andere. 

Nein, die Türkei ist nicht weit weg. Sie ist es schon deswegen nicht, weil es in Deutschland Millionen Menschen türkischer und kurdischer Herkunft gibt. Was heute in der Türkei passiert, hat Rückwirkungen in die Verhältnisse hier. Und was im Kampf um Demokratie und Menschenrechte dort verloren wird, wird in letzter Konsequenz auch hier verloren. Doch es braucht weder Sonntagsreden über europäische Werte (Welche sind das überhaupt?) noch alarmierende Ermahnungen in Richtung Türkei, die sowieso folgenlos bleiben. Immerhin eine positive Entscheidung gibt es:  Angesichts der staatlichen Verfolgung hat das Auswärtige Amt allen Dissidenten in der Türkei faktisch Asyl angeboten. 

Die HDP steht für Feminismus, Menschenrechte und Säkularismus

Die Aktion 3. Welt Saar wie der Saarländische Flüchtlingsrat, zu dessen Mitgliedern auch das Kurdische Gesellschaftszentrum in Saarbrücken gehört, begreifen sich als Teil der sozialen Bewegungen und fühlen sich der HDP solidarisch verbunden. Mit ihren 13 Prozent der Stimmen war die HDP im türkischen Parlament eine wichtige Barrikade gegen Erdogans Weg zur Präsidialdiktatur und ein Ansprechpartner für eine politische Lösung des Konfliktes in Kurdistan. Auch in diesem Kontext begreifen wir die fortgesetzten Angriffe und aktuellen Verhaftungen. Darüber hinaus kommen in dieser pluralen Partei die unterschiedlichsten Kräfte des sozialen Freiheitskampfes der Kurdinnen und Kurden, der türkischen undogmatischen Linken, der Frauenbewegung und der Bewegungen für Bürgerrechte zusammen. Die HDP ist in den islamisch-nationalistisch aufgeladenen Verhältnissen der türkischen Gesellschaft eine wichtige und seriöse Kraft. Sie steht für die Freiheit und Würde des demokratischen Aufbruchs mit einer klaren Orientierung auf Feminismus, Menschenrechte und Säkularismus.

Unsere Vorschläge

Die Aktion 3. Welt Saar und der Saarländische Flüchtlingsrat rufen dazu auf:

  • Zum Beispiel das Kurdische Gesellschaftszentrum in Saarbrücken zu besuchen und sich an dessen Protestaktionen gegen die Wiederkehr staatlicher Gewalt und Erdogans Weg in die Diktatur zu beteiligen.
  • Dass sich alle Parteien im Saarländischen Landtag zu den Verhaftungen und Drangsalierungen der Opposition in der Türkei praktisch verhalten sollen. So wären Treffen und ein substanzieller Meinungsaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern der HDP wünschenswert.
  • Die Zusammenarbeit mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) auf kommunaler und Landesebene auch im Bereich des Islamunterrichts auszusetzen und kritisch zu hinterfragen. DITIB ist ein reaktionärer und direkt dem Erdogan-Regime unterstellter Islamverband. Seine Imame, die in Deutschland predigen, werden in Ankara ausgesucht und von dort bezahlt.
  • Dass sich die Landesregierung, insbesondere auch Innenminister Klaus Bouillon als Vorsitzender der Innenministerkonferenz, für eine Aufhebung des  PKK-Verbots einsetzt. Dialog statt  Repression.
  • Dass sich die Landesregierung für die Beendigung des EU-Türkei-Deals einsetzt. Statt einer Politik der tödlichen Abschottung braucht es legale Wege nach Europa. Asyl ist Menschenrecht.

Losheim und Saarlouis, 23.11.2016

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