Redebeitrag von Roland Röder zum Neujahrsempfang 2012, unter anderem zur "Agenda 21"

An dem Empfang nahmen über 100 Personen teil: VertreterInnen von Kooperationspartnern der Aktion 3.Welt Saar, Verbände, Initiativen, Kirchen, Landtagsabgeordnete, ParteipolitikerInnen.

Neujahrsempfang der Aktion 3.Welt Saar
Mittwoch, 25.Januar 2012, 20:00 Uhr  
Merzig, Fellenbergmühle
Redebeitrag von Roland Röder

Es gilt das gesprochene Wort.

An dem Empfang nahmen über 100 Personen teil: VertreterInnen von Kooperationspartnern der Aktion 3.Welt Saar, Verbände, Initiativen, Kirchen, Landtagsabgeordnete, ParteipolitikerInnen.



Liebe Freunde und Freundinnen,
lieber Mitglieder,
liebe Gäste
liebe Fußballfans,

ich begrüße Sie alle herzlich zum Neujahrsempfang 2012 der Aktion 3.Welt Saar. Es ist eine unserer ersten Veranstaltungen in unserem Jubiläumsjahr 2012:

„30 Jahre Aktion 3.Welt Saar (1982-2012)
Kritisch – unabhängig – mit Biss“

Ich sehe viele unterschiedliche Gesichter, die auch ganz unterschiedlichen Organisationen angehören & ebenso sehr unterschiedliche Themen vertreten. Herzlich willkommen. Dies gilt auch für die anwesenden Mitglieder der Aktion 3.Welt Saar.

Im Gegensatz zu den bisherigen Empfängen haben wir dieses Jahr die Anzahl der Sitzplätze erhöht, aber den Stehplatzbereich beibehalten – wie im Fußballstadion.

Bevor es an die Getränke und das Essen geht, gibt es noch etwas geistige Nahrung. Wir haben Ihnen in der Einladung versprochen, dass wir Ihnen neben Politik & Musik
noch die üblichen Irritationen bieten:
Standpunkte aber kein Haudrauf-Remmidemmi

Wir fingen 1982 mit einem kleinen 3.Welt Laden an. Daraus hat sich eine agile, bundesweit tätige politische Organisation entwickelt, die politisch, aber nicht parteipolitisch agiert und sich ihre finanzielle Unabhängigkeit erstritten hat. Heute geben wir zu unterschiedlichen Themen wie Agrar, Fairer Handel, Asyl, Rassismus, Welthandel, Islamismus, Umwelt, Antisemitismus und noch einigen mehr unseren Senf dazu. Immer im Mittelpunkt: Soziale Gerechtigkeit. Also der Anspruch, dass alle Menschen Zugang zu den materiellen und kulturellen Gütern ihrer Gesellschaft haben. Es ist schließlich genug für alle da.

Alleine mit den in Europa und in Nordamerika weg geworfenen Lebensmitteln könnten alle Hungernden satt werden. Dreimal. Eine faire Landwirtschaft weltweit ist auch das Ziel unseres Projektes „ERNA goes fair“. Ein bundesweit einzigartiges Vernetzungsprojekt von Bauern, Gewerkschaftern, Umweltschützern und 3.Welt Engagierten. erna.a3wsaar.de Bundesweit einzigartig ist die Beteiligung von Gewerkschaften.

20 Jahre Rio Konferenz „Umwelt & Entwicklung“

Und es gibt noch ein Jubiläum, wenn schon nicht zu feiern, dann zur Kenntnis zu nehmen.
Vor 20 Jahren trafen sich 1992 Staats- und Regierungschefs im brasilianischen Rio zur UN-Konferenz „Umwelt & Entwicklung“.
Positiv war, dass die Umweltfrage im internationalen Politikbetrieb Beachtung fand. Weniger glücklich geriet das Abschlussdokument „Agenda 21“.
Immerhin plädierte es für Agro-Gentechnik, für Atomenergie und sprach Menschen in der sog. 3.Welt das Recht auf eine eigenständige Entwicklung ab. Damals wie heute drei Irrwege.
Aus heutiger Sicht mutet es anachronistisch an, dass sich überhaupt einige Umwelt- und 3.Welt Organisationen positiv darauf bezogen.

Bei Konferenzen dieser Art:
sucht man den kleinsten gemeinsamen Nenner
pflegt man den grün gefärbten Nachhaltigkeits - Diskurs
bleibt letztlich alles beim Alten, die Frage der Wirtschaftsdemokratie wird erst gar nicht gestellt
wird ebenso wenig unsere technikfixierte Lebens- und Wirtschaftsweise in Frage gestellt, die im Übrigen eine recht imperiale Lebensweise ist. Schauen wir uns nur mal an, mit welcher Selbstverständlichkeit wir Güter von überallher verbrauchen & lange vor Ablauf des Gebrauchwertes wegwerfen.

Ich beobachte im Umfeld solcher Konferenzen zudem eine Tendenz zur Entpolitisierung.
Nach dem Motto:
„Was kann ich tun, denn ich will nicht nichts tun.“ (Punkband, Die Fremden) verabschieden sich auch die NGO’s davon, den großen Wurf zu denken, geschweige denn zu praktizieren.
Stattdessen fokussiert man sich auf kleine Verbraucher-Konsum-Projekte und verliert die Dimension des Politischen aus dem Auge. Ich habe überhaupt nichts gegen solche Projekte – ich engagiere mich ja schließlich selbst seit 30 Jahren für den fairen Handel. Für uns ist dies aber keine Nische zur Gewissensberuhigung. Wir wollen nicht ein Stück des Kuchens, wir wollen die ganze Bäckerei.

Lassen Sie mich noch kurz zurück kommen zur Konferenz Rio 1992, die im übrigen dieses Jahr eine Neuauflage erfährt. Dies wird dann von vielen NGO’s aus der Umwelt- und entwicklungspolitischen Szene gebührend gewürdigt.

Uns wurde bei unserer Kritik oft entgegen gehalten, die Kritik sei ja richtig, aber es komme schließlich darauf an, was man daraus macht.
Das halte ich für Unfug.
Warum?
Es kommt ja auch kein normal tickender Mensch z.B. als Sozialdemokrat auf den Gedanken in Merzig einen Umwelt AK der CDU zu gründen oder umgekehrt.
- oder einen OV der NPD zu gründen und auf die Kritik, diese sei eine rassistische und antisemitische Partei zu antworten – ja, ja schon richtig, aber es kommt darauf an, was man daraus macht.

Das Dokument agenda 21 ist pro Gentechnik und pro Atomenergie. Wenn ich gegen diese Techniken bin, nehme ich mir eine andere Geschäftsgrundlage.

Man kann doch als Umweltverband oder entwicklungspolitische Organisation nicht einerseits Parteien mit großem medialen Getöse Unglaubwürdigkeit vorwerfen, wenn man andererseits selbst als Verband sein Fähnchen nur in den Wind hält. Eine andere Form von Unglaubwürdigkeit habe ich am Wochenende beim Agrar-Empfang in der saarländischen Landesvertretung in Berlin im Rahmen der grünen Woche: (Freitag, 20.1.2012, „Weizen im Tank – Kampf um die Anbauflächen“) erlebt:
Der Vorsitzende des Saarl. Bauernverbandes Klaus Fontaine sprach von einer Bevölkerungsexplosion in der 3.Welt
Der Vorsitzende des NABU – Deutschland, Olaf Tschimpke, der ansonsten viel Sinnvolles ausführte, sprach immer wieder von Entwicklungsländern.
Und in einem Redebeitrag bei der Demonstration „Wir haben es satt  Bauernhöfe statt Agrarindustrie“, die wir mitorganisiert hatten, (Berlin, 21.1.2012), war auf einmal von einem Hühner-KZ die Rede.

Im Klartext:

  1. Menschen, die geboren werden, explodieren nicht.
  2. „Die anderen“ sind nicht unterentwickelt. Wo Menschen sind, ist Kultur. Und
  3. KZ’s gab es mal in Deutschland. Aber Hühner werden heute NICHT in KZ’s gehalten. Selbstverständlich lehnen wir die Massentierhaltung von Hühnern ab.

Diese Richtigstellungen müssen auch der Fraktion Öko & Agrar zugemutet werden.

Es reicht auch nicht aus darauf zu verweisen, dass man dies eben umgangssprachlich so sagt. Wer es nötig hat, andere abzuwerten, und es noch gut dabei meint, sollte vielleicht mal eine Pause machen, sich sammeln und ein politisches Buch lesen. Gut gemeint ist auch im Fußball das Gegenteil von gut gemacht.

Und wir sollten statt Lebensmittel in die Tonne zu treten, sollten wir die agenda 21 in die Tonne treten und der thermischen Resteverwertung zuführen.

Weitere Standpunkte gibt es jetzt

musikalischerseits von der brasilianischen Jazz-Gitarristin Ignez Carvalho
und danach von Michael Scherer, Vorstandsmitglied der Aktion 3.Welt Saar, der Ihnen unsere Jahresplanung 2012 vorstellen wird. Danach kommt der schmackhaftere Teil des Abends.

Erlauben Sie mir noch einen Hinweis in eigener Sache:
Die A3WS wird in diesem Jahr 30 Jahre alt.
Wir haben uns das bescheidene Ziel gesetzt, 30 + x neue Mitglieder in diesem Jahr zu finden. Damit wollen wir heute anfangen. Zwei haben wir schon.
Schon mal überlegt, Fördermitglied der A3WS zu werden? Sie legen den Monatsbeitrag selbst fest.
Warum eigentlich?
Nun, finanzielle & politische Unabhängigkeit gibt es nicht zum Nulltarif.
Bei unseren Positionen fallen wir aus vielen Förderungen heraus.
Wer Fördermitglied wird, macht den Aktiven auch Mut – wir sind allesamt auch nur Menschen und bekommen sehr häufig wg. unserer Positionen eine aufs Maul.

Gemeinsam wird es gelingen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Freuen Sie sich mit mir auf Ignez Carvalho und Michael Scherer.


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