NS Opfer und Widerstandskämpfer Mathias Reinert aus dem Landkreis Merzig-Wadern war Thema bei Schülerprojekt
Rede von Roland Röder, Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar
Liebe Schülerinnen,
Glückwunsch für Eure zwei Arbeiten.
Ihr habt Euch mit dem Nationalsozialismus ein historisches Thema ausgesucht, das immer noch mega aktuell ist: den Hass auf Menschen, die nicht der eigenen Norm entsprechen. Und der Hass geht soweit, dass andere getötet werden. Im Kern des NS stand das Töten von Juden und Jüdinnen. 6 Millionen. Und jeder der sich dem Wahn von der Volksgemeinschaft und dem tödlichen Hass auf Juden entgegenstellte, war ein Feind.
Als Grundlage für Euer historisches Kunstprojekt, habt Ihr Euch die Broschüre „Gegen das Vergessen“ der Aktion 3.Welt Saar e.V. genommen. Und erwähnt dies auch. Das ist nicht selbstverständlich.
Zum NS sind ganze Bibliotheken erschienen. Jeder von uns hat ein bisschen dazu im Kopf. Dabei ist es allemal leichter, lang und viel zu schreiben, als kurz und knapp. Wir haben uns für den mühsamen Weg entschieden, das komplexe Ereignis des NS auf 28 Seiten zu verdichten. Gleichzeitig haben wir dabei mit Argusaugen auf historische Genauigkeit geachtet.
Kernpunkt in der Broschüre war das Herunterbrechen des NS auf die lokale Ebene. Die große Politik – damals eben der NS - fand nicht nur weit weg in Berlin, München, Hamburg, Köln etc. statt – sondern auch in der Region Merzig -Wadern statt. Es gab hier Opfer, Täter und ein bisschen Widerstand. Man muss ehrlich bleiben: bis zum 8. Mai 1945 hat das Gros unserer Vorfahren mitgemacht. Wer Widerstand leistete, war in der Minderheit und wurde von der sogenannten Volksgemeinschaft übelst behandelt.
Liebe Schülerinnen und liebe Schüler,
ihr habt Euch den Kommunisten MATHIAS REINERT ausgesucht, der beispielhaft dafür steht, dass damals Menschen für eine bessere Welt eintraten und sich dem Terror der Nazis widersetzten. Dieses Eintreten für mehr Freiheit, war kein Hobby und keine Freizeitbeschäftigung nach getaner Arbeit. Es war eine Grundeinstellung. Reinert wurde 1901 in Saarhölzbach geboren, 1932 trat er der KPD bei, im Aug. 1933 wurde er beim Schmuggeln von Schriften auf der Wahlener Platte festgenommen (Rimlingen und Rissenthal gehörten zum Dtsch. Reich, Bachem zum Saargebiet.) Im Okt. 1934 wurde er vom OLG Hamm verurteilt zu 7 Jahren, am 3.3.1941 starb er im KZ Sachsenhausen offiziell an „Herz- und Kreislaufschwäche infolge von Lungentuberkulose“. Er wurde 39 Jahre alt.
Auch GUSTAV REGLER aus Merzig war ein Freund der Freiheit. Er war Schriftsteller und Kommunist. Nach dem Hitler-Stalin-Abkommen von 1939 distanzierte er sich vom Kommunismus.
Zurück zu Eurem Kunst- und Geschichtsprojekt:
So kann es gehen: Eigentlich habt ihr NUR ein kleines Kunstprojekt im Geschichtsunterricht gemacht. Vielleicht wollte die eine oder andere von Euch damit eine gemütliche Zeit an der Schule haben. Das ist für mich völlig legitim. Und dann wurde aus dem „Es ist ja nur ein Projekt“ immer mehr:
- eine gute Eigendynamik in Euren zwei Gruppen - siehe die zwei tollen Werke
- Ihr habt Euch mit einem historischen Thema beschäftigt und gemerkt, dass es verdammt aktuell und nicht abgeschlossen ist
- dann habt Ihr einen Preis gewonnen
- eine Fahrt nach Berlin mit allerhand Drumherum
-und jetzt die öffentliche Präsentation in der Buchhandlung Rote Zora, bei der Ihr die Hauptdarsteller:innen seid.
Mit einem kleinen Projekt – es geht darin quasi um „Irgendwas von damals“ - fing es an, ihr habt euch nichts weiter dabei gedacht und seid damit jetzt in der politischen Öffentlichkeit gelandet. Meinen Glückwunsch dazu. Danke, super gemacht.
Und heute?
Und weil das, was damals geschah, mit der Kapitulation am 8.5.1945 nur militärisch endete, ist es nötig, auch heute noch Stellung zu beziehen. Wir treten beispielsweise für eine Erinnerungsarbeit ein, die nicht bei den toten Juden des NS stehen bleibt, sondern sich auch positiv zu den lebenden Juden und ihrem Staat Israel verhält.
Die deutsch-jüdische Philosophin Hannah Arendt hat mal gesagt „Der Sinn von Politik ist Freiheit.“ Bei der Aktion 3.Welt Saar haben wir uns darauf verständigt, dass dies die Grundlage unseres politischen Agierens ist. Nein, wir sind keine Partei, aber eben eine politische Organisation.
Wie aktuell die Sehnsucht nach Freiheit ist, zeigt sich in diesen Minuten in der islamischen Diktatur des Iran. Dort kämpfen Frauen und Mädchen einen gleichsam heldenhaften wie verzweifelten Kampf für ihre Freiheit. Für die Freiheit nicht unters Kopftuch gezwungen zu werden und aus weiten Teilen des öffentlichen Lebens – auch vom Fußball - ausgeschlossen zu werden.
In diesem Sinne ist der Kampf von Mathias Reinert und von Gustav Regler gegen den nationalsozialistischen Terror und FÜR DIE FREIHEIT kein historisch abgeschlossenes Kapitel sondern im doppelten Sinne des Wortes brandaktuell.
Lasst Eure Schwestern im Iran und lasst auch die anderen Kämpferinnen für die Freiheit nicht allein. Es ist ein gemeinsamer Kampf.
Pressemitteilung der Aktion 3.Welt Saar
6. Oktober 2022 / Nr. 12
NS Opfer und Widerstandskämpfer Mathias Reinert aus dem Landkreis Merzig-Wadern war Thema bei Schülerprojekt - Präsentation am 13.Okt., 16 Uhr, in Losheim
„Remember Resistance 33-45“ – Waderner Schülerinnen zweimal erfolgreich bei bundesweitem Wettbewerb zum NS – Publikation der Aktion 3.Welt Saar e.V. war Grundlage
Schülerinnen des Hochwald-Gymnasiums Wadern wurden im bundesweiten Jugendwettbewerb „Remember Resistance 33-45“ der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin zweimal prämiert. Sie dokumentieren mit einem 3D Modell das Engagement des Widerstandskämpfers und Kommunisten Mathias Reinert aus dem Landkreis Merzig-Wadern. Fachlich begleitet wurden sie von ihrer Geschichtslehrerin Dr. Tina Schweitzer. Grundlage des Kunstprojektes ist die Broschüre der Aktion 3.Welt Saar e.V. „Gegen das Vergessen. Orte des NS Terrors und Widerstandes im Landkreis Merzig-Wadern“, 3.Auflage, 2021.
Am Donnerstag, 13.Oktober, 16 Uhr, präsentieren die Schüler:innen im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung ihre Arbeit im Schaufenster der Losheimer Buchhandlung Rote Zora (Triererstr. 3). Damit erreichen sie eine größere Öffentlichkeit: Helmut Harth, Bürgermeister der Gemeinde Losheim am See spricht ein Grußwort. Roland Röder von der Aktion 3.Welt Saar e.V. führt in das Thema ein und Dr. Tina Schweitzer stellt als Fachlehrerin mit ihren Schülerinnen das prämierte Werk vor. Veranstalterinnen sind die Aktion 3.Welt Saar und die Buchhandlung Rote Zora Losheim. Das andere prämierte Werk zu Gustav Regler wird zeitgleich im Schaufenster der Buchhandlung Rote Zora in Merzig ausgestellt.
Bei einem Schmuggelversuch von verbotenen Zeitungen wurde die Widerstandsgruppe um Mathias Reinert im August 1933 auf dem Weg von Rimlingen nach Mitlosheim in einen Hinterhalt gelockt und festgenommen. Sie hatte einen Verräter in ihren Reihen. Am 12.10.1934 wurden sie vom Oberlandesgericht Hamm zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Am 3.3.1941 starb Reinert im KZ Sachsenhausen, nördlich von Berlin. Die offizielle Todesursache war „Herz- und Kreislaufschwäche infolge von Lungentuberkulose.“
Hintergrundinformationen: Aktion 3.Welt Saar e.V. , Weiskirchener Str. 24, 66679 Losheim am See, 06872 / 9930-56, mail@a3wsaar.de, www.a3wsaar.de . Die Organisation vernetzt und fördert saarlandweit die Beschäftigung mit Nationalsozialismus, Rassismus, Antisemitismus, Migration, Asyl, Klimakrise, Fairer Handel, Umwelt, Agrarwende. Die regionalhistorische Publikation der Aktion 3.Welt Saar e.V., die der Arbeit der Schülerinnen zu Grunde lag, wird kostenlos abgegeben, gerne auch in größerer Anzahl zur Auslage und als Klassensatz. Die Herausgabe wurde finanziell vom Sozialministerium des Saarlandes unterstützt.