Offener Brief an Afrika
Deutschland braucht Deine Hilfe - sofort.
Mit Expertenteams & Know - how
Hallo Afrika,
seit Jahrzehnten leisten „wir“ Entwicklungshilfe für Afrika, staatlich und privat. Wir leisten uns sogar ein eigenes Ministerium, das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ). Ständig haben wir Expertenteams „da unten“, die helfen Euch den Weg zeigen. Jetzt bauen wir sogar in der Sahara ein riesiges Stromkraftwerk (desertec) und werden Ökostrom für Europa produzieren. All dies kostet viel Geld. Längst kommen wir nicht mehr nur mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Wir haben gelernt und unsere Defizite in der Präsentation aufgearbeitet: Gender Mainstreaming, Nachhaltigkeit, Vernetzung, Hilfe zur Selbsthilfe sind längst zu unserem Standardrepertoire geworden. Manchmal geben wir uns auch Mühe, Dich jenseits von Sonne, Safari & Bürgerkrieg zu sehen, auch wenn dieses Afrikabild zugegebenermaßen doch noch recht weit verbreitet bei uns ist und wir gerne damit hantieren.
Und was macht Afrika? Wo sind die Expertenteams aus Burundi, Ruanda, Angola, Kamerun, die „uns“ in Deutschland nachhaltig „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten. Wo sind die afrikanischen Länder, die sich auch ein staatliches „Ministerium zur Entwicklung von Europa“ leisten? Zugegeben, wir fangen nicht bei null an. Wir sind sehr produktiv und könnten uns ein vergnügliches Leben mit lockeren 20 Stunden Arbeitszeit und weniger leisten. Alle hätten genug. Aber wir bekommen die Verteilung unseres Reichtums nicht auf die Reihe. Irgendwas machen wir falsch. „Wir“ leben eindeutig über unsere Verhältnisse, ökologisch, verbrauchen zu viel Energie, haben berechtigte Angst vor Altersarmut und leisten uns nicht nur in der Medizin den zweifelhaften Ruf einer Zwei-Klassen-Gesellschaft zu. Hier brauchen wir ganz dringend Rat und Hilfe von Experten aus den verschiedenen afrikanischen Ländern.
Afrika muss aufhören, Europa und insbesondere Deutschland mit Ignoranz strafen. Das haben wir nicht verdient. Uns steht ein menschenwürdiges Leben zu. Dies ist eine menschenrechtliche Verpflichtung, der sich auch Afrika nicht entziehen kann. Afrika muss Deutschland (und Europa) helfen, jetzt und sofort; mit Expertenteams, mit Know-how. Staatlich und privat. Auch die afrikanische Zivilgesellschaft muss mitmachen. Das ist unsere Forderung.
Hochachtungsvoll
Deine Aktion 3.Welt Saar
PDF-Version des Offenen Briefs an Afrika – Entwicklungshelfer nach Deutschland gefordert.
Die taz am Wochenende druckte den Brief am 25.05.2013 ab.
Auch die Saarbrücker Zeitung schrieb über den DET 2013 & den Offenen Brief (PDF, 600 KByte): 'Am Nachmittag kam es zu einem Aufsehen erregenden Zwischenfall. Nachdem Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) auf einer Bühne die Erfolge der „Fair-Trade-Stadt“ Saarbrücken und des Eurodistricts Saar-Mosel gelobt hatte, meldete sich ein junger Mann zu Wort und fragte: „Ist das hier eigentlich eine zynische Veranstaltung?“ Britz verneinte nach kurzem Zögern die Frage. Die Veranstaltung versuche vielmehr darauf aufmerksam zu machen, welche Rolle „wir hier in unserer kleinen Region in Bezug auf Menschen in der Dritten Welt spielen“. Der ebenfalls anwesene Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) betonte, die saarländische Landesregierung baue eine Entwicklungszusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen auf. Offenbar reichten dem Mann die Antworten der Politiker nicht aus. Er entgegnete: „Wir sind ja auch Entwicklungsland.“ Anschließend las er aus einem offenen Brief der Aktion 3. Welt Saar vor. Darin wird Deutschland als Entwicklungsgebiet beschrieben. Die Forderung der Aktion 3. Welt Saar: Afrika soll Deutschland mit Experten-Teams und Fachwissen unterstützen. Oberbürgermeisterin Britz entgegnete: „Wir sind im Saarland kein Entwicklungsland, wir sind an vorderster Stelle, was dieses Thema angeht.“ Das Bundesministeriums teilte auf SZ-Anfrage mit: „Austausch und Perspektivenwechsel wird bereits vom Bundesentwicklungsministerium gelebt, etwa mit unserer Afrika-Initiative. Wir sehen Afrika als Partner auf Augenhöhe.“'
In diesem Zusammenhang sei ein Hinweis auf die Big-Five-Kampagne des BMZ erlaubt. neues deutschland berichtet von den Reaktionen entwicklungspolitischer Organisationen auf die Plakataktion des Minsteriums, in denen u.a. von "rassistischer Bildersprache" die Rede ist.
Der SR berichtete in den Regionalnachrichten auf seiner Website über den Offenen Brief.: "Saarbrücken: 30 Akteure beim Entwicklungstag: Rund 30 Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kirchen haben zum ersten „Deutschen Entwicklungstag“ am Samstag in Saarbrücken ihr entwicklungspolitisches Engagement vorgestellt. Der vom Bundesentwicklungsministerium ausgerufene „Deutsche Entwicklungstag" hatte den Schwerpunkt Afrika. Er stand unter dem Motto „Dein Engagement. Unsere Zukunft“. Für die bundesweite Aktion wurden mehr als drei Millionen Euro ausgegeben. Die Aktion 3. Welt Saar verteilte bei der Veranstaltung einen satirischen „Offenen Brief an Afrika“ in Saarbrücken." Quelle: SR-Online.
Die taz fragte nach, wie unser Offener Brief an Afrika beim DET2013 aufgenommen wurde.
Am 1. Juni 2013 veröffentlichte sie dann:
ZWEITE RUNDE
Kein Sinn für Satire
Letzte Woche hat die taz einen "Offenen Brief an Afrika" der Aktion 3. Welt Saar abgedruckt, in dem die Staaten Afrikas aufgefordert werden, das "Entwicklungsland Deutschland" mit Experten und Fachwissen zu unterstützen. Auf dem Deutschen Entwicklungstag hat der Brief nun Kollegen irritiert und die "Fair-Trade-Stadt" Saarbrücken vor den Kopf gestoßen.
In ihrem satirischen Appell drehen die Autoren die westliche Perspektive auf die Entwicklungszusammenarbeit um und fragen: "Wo sind die Expertenteams aus Burundi, Ruanda, Angola, Kamerun, die "uns" in Deutschland nachhaltig "Hilfe zur Selbsthilfe" leisten"? "Afrika muss Deutschland helfen, jetzt und sofort".
Offenbar fehlt den Entwicklungshelferkollegen der Sinn für Satire. Wie Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar der taz mitteilte, löste der Brief auf dem Deutschen Entwicklungstag "Unbehagen und Irritationen" aus. Die anwesende Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) reagierte empört auf den Brief. Schließlich legt Saarbrücken Wert auf ihr Image als "Fair-Trade-Stadt". Britz wollte auf dem Entwicklungstag das Engagement ihrer Stadt sowie der 33 regionalen Entwicklungshilfe-Organisationen rühmen.
Ein Schauspieler verdirbt die Show
Doch dann verdarb ihr der Schauspieler Boris Pietsch die Show. Pietsch ergriff nach der Lobesrede der Bürgermeisterin das Wort, fragte, ob dies "eigentlich eine zynische Veranstaltung" sei. Schließlich sei Deutschland auch Entwicklungsland. Daraufhin verlas er den "Offenen Brief an Afrika". Teilnehmer der Veranstaltung bezeichneten die Reaktion von Britz auf den Brief als "angepisst". Die Entgegnung der Oberbürgermeisterin: "Wir sind im Saarland kein Entwicklungsland. Wir sind an vorderster Stelle, was dieses Thema betrifft".
Stefan Frank, wie Röder Aktivist bei der Aktion 3. Welt Saar, hätte sich "mehr Souveränität" erwartet. Lachhaft fand er hingegen das Entwicklungsministerium. Gegenüber der Saarbrücker Zeitung teilte das BMZ mit: "Austausch und Perspektivenwechsel wird bereits vom Bundesentwicklungsministerium gelebt. Wir sehen Afrika als Partner auf Augenhöhe". Aus Sicht der Kritiker an der deutschen Entwicklungshilfe könnte man die Erklärung als zynisch bezeichnen. RALF PAULI
Quelle: taz, 1. Juni 2013