Grußwort zur Mitgliederversammlung der Obst- und Gartenbauvereine Merzig-Wadern, 29.10.2011

Vorstellung von "ERNA goes fair" durch Gertrud Selzer, Mitglied im Vorstand der Aktion 3. Welt Saar

Pfarrheim, Merzig-Brotdorf. Es gilt das gesprochene Wort.

I Hunger

Wissen Sie, was mich ärgert:
Es werden genügend Nahrungsmittel produziert und trotzdem verhungern Menschen.

Das war schon 1982 so, als ich begann mich bei der Aktion 3.Welt Saar zu engagieren. Und dies ist noch heute so.

Zwischen Acker und Teller verschwinden 50% aller produzierten Nahrungsmittel. Wir hatten vor kurzem im Filmhaus Saarbrücken den beeindruckenden Film „Taste the waste“ gezeigt. Dort wird diese unglaubliche Verschwendung aufgezeigt:
Nehmen wir nur den Unfug des Mindesthaltbarkeitsdatum. Dies wird oft gleichgesetzt mit dem Verfallsdatum. Wer noch bei Sinnen ist, weiß, dass Lebensmittel auch über dieses Datum noch genießbar sind. Ein einfacher Verwaltungsakt aus dem CSU geführten Bundesagrarministerium würde ausreichen, diesem Spuk ein Ende zu setzen. Die Forderung muss lauten: Verfallsdatum statt Mindesthaltbarkeitsdatum.

Aktuell hungern 1 Milliarde Menschen – Aber alleine mit den in Europa und Nordamerika weg geworfenen Lebensmitteln könnten diese Menschen satt werden.
Dreimal satt werden.

Wir hatten im Sommer eine Kleinbäuerin aus Paraguay zu Gast und mit ihr in Rheinland-Pfalz und dem Saarland Hofbesichtigungen, Veranstaltungen und Gespräche mit Parlamentariern organisiert.
Beeindruckend.
Auch sie berichtete vom Irrsinn der aktuellen Landwirtschaftspolitik:

  • In Paraguay – immerhin der viertgrößte Sojaexporteur weltweit – werden Kleinbauern gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Angebaut wird Soja, Soja, Soja, Soja, Soja und nochmals Soja. Als Viehfutter für Milchkühe in Deutschland.
  • In Deutschland schütten Milchbauern ihre Milch auf die Straße, weil sie trotz billigem Sojafutter viel zu geringe Milchpreise von den Molkereien ausgezahlt bekommen. In Deutschland wird – politisch gewollt – mehr Milch produziert als benötigt. Das senkt den Preis für die Industrie.
  • Aus der überschüssigen Milch wird Milchpulver und Kondensmilch gemacht für den westafrikanischen Markt. Und – sie raten es schon – mit Subventionen künstlich billig gehalten, was wiederrum Kleinbauern dort in den Ruin treibt.

Egal wie man es dreht und wendet. Bauern sind die Gelackmeierten und gehen „vor die Hunde.“

II ERNA

Damit ist jetzt Schluss. Dafür sorgt ERNA.

„ERNA goes fair – für eine faire Landwirtschaft weltweit“.

Was ist ERNA?
ERNA steht für E R nährungssicherheit und für N A chhaltigkeit.
ERNA goes fair ist Vernetzungsprojekt der Aktion 3.Welt Saar zwischen Bauern, Gewerkschaften, Naturschützern und 3. Welt Engagierten. Bundesweit ist das einzigartig.
Unsere Kooperationspartner sind:
Bundesverband deutscher Milchviehhalter, LV RLP und Saarland
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft RLP/Saar
DGB Saar
NABU – Saar
Letzte Woche hatten wir die offizielle Eröffnung. Stilgerecht mit einem „Frühstück im Kuhstall“.

Ich lade Sie herzlich zur Mitarbeit bei ERNA goes fair ein.

ERNA stellt die Frage ob wir eine bäuerliche Landwirtschaft wollen oder eine industrielle. Landwirtschaft wird es immer geben. Nur welche? Wollen wir Agrarfabriken oder Bauernhöfe?

ERNA stellt die Frage:
Woher kommt unser tägliches Brot? Unsere Milch, unser Fleisch, unser Gemüse, unser Obst. Und vor allem: Wer produziert dies wie? Und wie hätten wir es denn gerne.

Wer ist überhaupt ERNA?

  • ERNA ist die Milchbäuerin, die nicht mehr von ihrer Milch leben kann und sich im Bundesverband deutscher Milchviehhalter engagiert.
  • ERNA ist die Kartoffelbäuerin, die immer weniger Geld für immer mehr Arbeit bekommt, sich bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft engagiert (AbL)
  • ERNA ist die Verbraucherin, berufstätig, zwei Kinder, immer etwas in Eile und die gerne gute und gesunde Lebensmittel kaufen möchte
  • ERNA ist die Kassiererin im Supermarkt, gewerkschaftlich engagiert. Bei ihrer Arbeit wird sie gemobbt und wundert sich, warum ihre Firma für Lebensmittel im Einkauf immer weniger bezahlt und sie selbst auch immer weniger Lohn erhält
  • ERNA ist die Studentin, die sich beim NABU im Bereich Krötenwanderung engagiert und sich über immer mehr Dinge in der Landwirtschaft die Haare rauft
  • ERNA ist Jugendmitglied bei der Aktion 3.Welt Saar und will etwas gegen den Hunger in der Welt machen und merkt, dass die Stellschrauben, den Hunger zu beseitigen, hier vor der eigenen Haustür liegen.

Kurzum: ERNA bist du.
Es liegt an dir, etwas gegen den Irrsinn zu tun, dass Menschen verhungern, obwohl genügend zum Essen produziert wird.

Wir müssen wieder dahin kommen, Landwirtschaft als etwas zu begreifen, das uns alle was angeht. Landwirtschaft ist ein gesellschaftliches Thema.
Wir dürfen sie nicht denjenigen überlassen, die uns seit Jahren erzählen: Wachse oder weiche.
Und wir dürfen sie nicht denjenigen erzählen, die aktuell die Milchüberproduktion wollen – und dies sind definitiv nicht die Bauern – und dann die überflüssige Milch via Subventionen auf den afrikanischen Markt drücken und dort bäuerliche Existenzen zerstören.

Wir haben lange genug zugesehen. Wir müssen uns die Landwirtschaft wieder aneignen und dürfen sie nicht den Experten des praktizierten Irrsinns überlassen. Diese Experten haben versagt.

Dafür braucht es politische Veränderungen. Veränderungen im privaten Konsum sind auch hilfreich. Reichen aber nicht aus. Sie sind allzu leicht nur ein Strohfeuer.
Politische Veränderungen sind zum Beispiel aktuell möglich, weil die EU ihre Gemeinsame Agrarpolitik öffentlich diskutiert.

Vor diesem Hintergrund arbeiten wir seitens der Aktion 3.Welt Saar auch im Trägerkreis des bundesweiten Agrarbündnisses „Meine Landwirtschaft – unsere Wahl“ mit.

III Wie weiter?

Was hat dies alles mit den Obst- und Gartenbauvereinen zu tun? Ich bin dort übrigens selbst Mitglied.

  • Ich lade sie ein mitzumachen bei ERNA goes fair. Wir haben keine fix- und fertige Tagesordnung. ERNA goes fair ist ein offenes Projekt, das im Kern die gesellschaftliche Debatte will über Landwirtschaft.
  • ERNA goes fair ist eine Einladung, sich den so wichtigen Bereich Lebens- und Nahrungsmittel wieder anzueignen

Und vielleicht – das rege ich jetzt einfach mal an – sind einige von Ihnen interessiert, in einer Arbeitsgruppe der Obst- und Gartenbauvereine Merzig-Wadern, diese angesprochenen Fragen weiter zu diskutieren. Unsererseits wären wir bereit, in einer solchen Arbeitsgruppe mitzuwirken. Das Angebot steht.

Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

© Aktion 3.Welt Saar, Weiskirchener Str. 24, 66679 Losheim am See, Telefon 06872 / 9930-56, mail@a3wsaar.de, www.a3wsaar.de


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