"Straßen im Saarland: Nationalisten und Militaristen als Namensgeber", herausgegeben von Gerhard Bungert. Mit Beiträgen von
Patric Bies
Gerhard Bungert
Rainer Freyer
Yvonne Ploetz
Roland Röder
Peter Imandt Gesellschaft
Blattlausverlag, 978-3-930771-90-5, 16,00 €, Mai 2014
Es fällt auf, dass immer noch viele Straßen im Saarland nach Nationalisten und Militaristen benannt sind oder es lange waren. In sieben Kapiteln schildern die AutorInnen positive Veränderungen aber auch jahrzehntelanges - zum Teil bis heute - Beharren auf der Richtigkeit von Nationalismus und Militarismus. Und sie schildern soziale Proteste und erbitterte Auseinandersetzungen um Deutungen. Allein das Beispiel des Völklinger Stadteils Hermann Röchling Höhe - benannt nach einem Zuarbeiter der Nazis und verurteilten Kriegsverbrecher - zeigt die erschütternde Aktualität dieses Denkens bzw. eine ebensolche Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern dieser "Männer".
In dem Beitrag "Vom Kaiser geehrt, vom Führer geliebt" reflektiert Roland Röder von der Aktion 3.Welt Saar die jahrzehntelange distanzlose Verehrung des deutschen Kolonialmilitärs Paul von Lettow-Vorbeck in seiner Heimatstadt Saarlouis. An seine Opfer - er war federführend an der Ermordung von 60.000 Herero in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) beteiligt - erinnert in Saarlouis nichts. Lettow-Vorbeck gehörte in den 20er Jahren zum rechten Rand in der Weimarer Republik, war an der militärischen Niederschlagung von Brotrevolten ("Sülzeunruhe") in Hamburg beteiligt, bekämpfte die Demokratie Weimars und war Hitler ein williger Diener. Als er 1964 starb, hielt der Bundesverteidigungsminister Kai Uwe von Hassel (CDU) die Grabrede und das Bundeswehrmusikkorps spielte auf. In Saarlouis ehrte man ihn u.a. mit einer nach ihm benannten Straße, einer martialischen Inschrift an seinem Geburtshaus: "Der unbesiegte ritterliche Verteidiger Deutsch-Ostafrikas im Weltkriege 1914-1918 General Paul von Lettow-Vorbeck wurde am 20.3.1870 in diesem Hause geboren."
Nach heftigen, jahrelangen Protesten, an denen die Aktion 3.Welt Saar nicht unbeteiligt war, vollzog man in Saarlouis 2010 eine Kehrtwende ins andere Extrem: Statt sich seiner Geschichte zu stellen, ließ man "den General" einfach verschwinden. So, als wäre nie etwas gewesen.