"Nächstes Jahr in Ingelheim"

Redebeitrag von Klaus Blees für die Aktion 3.Welt Saar und den Saarländischen Flüchtlingsrat auf der Kundgebung gegen das Abschiebegefängnis Ingelheim, 10.12.2010.

10.12.2010, 16 Uhr, Ingelheim 
Kundgebung zum „Tag der Menschenrechte“:
Thema:  Abschiebehaft Ingelheim abschaffen
Rede vor dem Abschiebegefängnis Ingelheim

Klaus Blees redet für die Aktion 3.Welt Saar und den Saarländischen Flüchtlingsrat
Es gilt das gesprochene Wort.
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NÄCHSTES JAHR IN INGELHEIM

Ich grüße Euch herzlich im Namen der Aktion 3.Welt Saar und des Saarländischen Flüchtlingsrates.

Es ist bereits zum geflügelten Wort, quasi zu einem Sprichwort geworden: Seit 2000 rufen wir uns mindestens einmal im Jahr zu: „Nächstes Jahr in Ingelheim“.

Es ist seit rund 10 Jahren aus trauriger Notwendigkeit zur Tradition geworden, uns immer und immer wieder vor dieser Stätte der Unmenschlichkeit zu versammeln und unseren Protest und unser Nein gegen dieses Hochsicherheits-Gefängnis zum Ausdruck zu bringen.

Um es klar zu sagen: Dieses Abschiebegefängnis wurde NICHT IN UNSEREM NAMEN GEBAUT. Aus gutem Grund sagen wir hier in aller Deutlichkeit:

Not       in        our       name.

Ich weiß noch genau, als wir im Jahr 2000 anfingen, hier an dieser Stelle öffentlich nein zu sagen gegen das Gefängnis. Damals war dieser Platz noch Bauplatz.

Als es im Mai 2001 eröffnet wurde

die Landesregierungen in Mainz und in Saarbrücken wollten dies still, leise, klammheinlich tun – haben wir am Tag der Eröffnung vor diesen Mauern protestiert und uns als Ruhestörer betätigt.  Und kurze Zeit später nochmals die Ruhe mit einer Demonstration gestört.

Die erste Lieferung an Flüchtlingen - so nennt man dies im Jargon der Ausländerbürokratie – kam aus dem Saarland. So sehr sich die Bundesländer quer durch die Republik auch balgen, wenn es um Kooperationen geht, wenn es um das Quälen und Ausgrenzen von Flüchtlingen geht, ist schnell parteiübergreifende Einigkeit erzielt.

Jedenfalls haben wir am Tag der Eröffnung hier vor Ort protestiert und das Notwendige gesagt. Nämlich das, was damals wie heute gilt:

Abschiebehaft abschaffen – hier und anderswo.

Das Abschiebegefängnis Ingelheim muss geschlossen werden.

Wenn wir heute hier protestieren, dann sagen wir auch klar und deutlich: Es geht uns eben NICHT um eine pädagogische Verbesserung der Abschiebehaft. Die Abschiebehaft als solche ist ein menschenverachtender Irrsinn, der nur in kranken Bürokratengehirnen gedeihen kann. Sie muss weg, GANZ weg.

Welchen Zynismus deutsche Ausländerbürokraten provozieren, - die Nachfrage bestimmt das Angebot – das hatten wir vom Saarländischen Flüchtlingsrat vorgestern öffentlich gemacht.
Ein saarländischer Arzt hat in einem Schreiben an eine Ausländerbehörde ein umfassendes Dienstleistungsangebot gemacht: Gemeinsam mit einer Arztkollegin aus Hessen bietet er an, alle medizinischen Leistungen wie Gutachten, Atteste und Bescheinigungen zu organisieren, die die Behörde zur Abschiebung von Flüchtlingen benötigt. Das Schreiben liegt uns vor. Sie finden es auf der Internetseite des Saarländischen Flüchtlingsrates und der Aktion 3. Welt Saar.

Das Abschiebegefängnis Ingelheim und das Angebot zweier Ärzte, gegen Bezahlung Gefälligkeitsgutachten auszustellen, sind nur zwei Seiten EINER Medaille, die da lautet: Abschottung und Ausgrenzung gegen Flüchtlinge.

Wir haben eine andere Vision – Wir wollen zusammen leben. Wer hier ist, muss hier bleiben.

Über all die Jahre hinweg haben wir es hinbekommen, über Partei- und sonstige politische und kulturelle Grenzen hinweg, uns zu verbünden und immer wieder die Abschaffung der Abschiebehaft zu fordern. Das ist der Kern unserer Forderung, der uns alle eint und verbindet. 

In Rheinland-Pfalz stehen Landtagswahlen vor der Tür. Schön für die, die wählen gehen. Vor allem aber ist dies die Zeit der Wahlversprechen.

Das kennt man. Ein Blick über die Grenzen ins benachbarte Saarland zeigt auch, was davon zu halten ist. Vor der saarländischen Landtagswahl haben SPD, Linke und Grüne übereinstimmend in klaren Worten die Schließung des saarländischen Flüchtlingslagers Lebach angekündigt.

Sowohl in Gesprächen wie auf Veranstaltungen mit der Aktion 3.Welt Saar und dem Saarländischen Flüchtlingsrat. Besonders klar und radikal waren die saarländischen Grünen. Im Saarland gibt es also die Situation, dass eine satte parlamentarische Mehrheit im Landtag eigentlich für die Schließung des Flüchtlingslagers Lebach ist. Eigentlich.

Komischerweise steht das Flüchtlingslager Lebach immer noch,
komischerweise werden die Flüchtlinge dort immer noch mit Lebensmittelpaketen gegängelt.

Die saarländischen Grünen haben ihr Wort nicht gehalten.

Die Textbausteine ihrer Begründung kennt man aus den Darbietungen in der parlamentarischen Manege: "Sachzwänge", "Koalitionszwänge", "wir würden ja – aber wir dürfen nicht", "wir würden ja – aber die anderen in der Koalition lassen uns nicht".

Und so weiter, und so weiter. Was einem halt an vorformulierten Sätzen einfällt, um von der eigenen Untätigkeit abzulenken.

Um nicht missverstanden zu werden: Es kann auch schon mal sein, dass eine Partei ihr Wahlversprechen hält. Dies kann und darf nicht generell ausgeschlossen werden. Ich bitte hier um Fairness. Auch ParteipolitikerInnen müssen wir eine Chance auf Ehrlichkeit zugestehen. Der Einzelfall zählt. Nur müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das Einhalten eines Wahlversprechens weniger mit Freiwilligkeit zu tun hat als vielmehr mit einem massiven Druck der Straße. Ansonsten ist alles Versprochene ziemlich schnell vergessen.

In diesem Sinne –
entweder dieses Gefängnis hier,
dieser Zustand der Unmenschlichkeit,
wird seiner Bestimmung übergeben, das heißt geschlossen
oder ich erlaube mir hier die Ankündigung:
Trotz Kälte, Schnee, Regen und alledem -

N Ä C H S T E S      J A H R    I N       I N G E L H E I M

Wir sehn uns, bleibt fit.

© Aktion 3. Welt Saar, Weiskirchener Str. 24, 66679 Losheim am See, Telefon 06872 / 9930-56, mail@a3wsaar.de, www.a3wsaar.de
Saarländischer Flüchtlingsrat, Kaiser Wilhelm Straße 46, 66740 Saarlouis, Telefon 06831 / 4877 938, fluechtlingsrat@asyl-saar.de, www.asyl-saar.de


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